Die Vogonen und die Bürgerbeteiligung

Für eine Kultur des Ernstnehmens …

- von Hans-Jürgen Fuchs -

Eines meiner Lieblingsbücher ist „Per Anhalter durch die Galaxis”. Der erste Band beginnt damit, dass Arthur Dent gezwungen ist, sein Haus, sein Dorf, seinen Planeten zu verlassen. Denn dieser, die Erde, steht im Weg.

Riesige Raumschiffe tauchen am Himmel auf. Ihre Besitzer, die Vogonen, sind abgrundtief häßlich, lieben die Bürokratie und eine Art der Poesie, die anderen Sterblichen als Folter erscheint und bauen Hyperraum-Expressstraßen. Zum Beispiel dort, wo im Moment noch die Erde steht. Aber nicht mehr lange. Knapp zwei Minuten dauert deren Sprengung. Widerstand ist zwecklos. Jedenfalls in diesem späten Stadium der Geschichte. Die Überraschung der Menschen hilft ihnen nicht weiter. Schließlich gab es Gelegenheit und Zeit genug für Einsprüche, denn alle Planungsentwürfe und Zerstörungsanweisungen lagen 50 Erdenjahre lang im zuständigen Planungsamt aus. Auf Alpha Zentauri, quasi um die Ecke, keine 50 Billionen Kilometer entfernt.

So ging alles seinen ordnungsgemäßen Gang: Ein grelles Licht, ein hässliches Geräusch und dann Stille …

Intergalaktische, nicht unbedingt dialogische Bürgerbeteiligung, die wenig Spielraum lässt für (Wut)-Bürger. Deshalb erinnert die Geschichte auch an aktuelle Diskussionen nicht nur in Heidelberg.

Die Auseinandersetzungen um Stuttgart 21 oder das Heidelberger Kongresszentrum haben Spuren hinterlassen, hier einen Ministerpräsidenten zu Fall gebracht, dort einen Oberbürgermeister nachdenklich gemacht. Nun gibt es in Heidelberg einen Arbeitskreis, der Leitlinien für eine systematische Bürgerbeteiligung erarbeiten soll. Dabei geht es um Gremien, Verfahren, Quoren – wichtige Fragen.

Ein anderes Gremium versucht bereits Bürgerbeteiligung zu praktizieren: Ein Entwicklungsbeirat beschäftigt sich mit der Zukunft der Flächen, die die Amerikaner bald verlassen werden. Eine dieser Flächen ist bereits geräumt, der sogenannte Holbeinring in Rohrbach. Hier, zwischen Sickingenstraße, Römerstraße, Am Rohrbach und Fabrikstraße stehen die Häuser seit Jahren leer. Im Herbst sollen Studierende einziehen. Bald wird zudem Rewe in ein neues Gebäude nahe Aldi ziehen. Dann soll am Holbeinring gebaut werden. Zur Disposition steht dabei auch der Bolzplatz, einer der letzten größeren Freiräume im Stadtteil.

Hier kommt nun wieder das Thema Bürgerbeteiligung ins Spiel. Was mit dem Gebiet passieren soll, war zwar im Juni 2009 bereits Thema im Rohrbacher Bezirksbeirat, doch nach draußen, zu den Bürger/-innen, drang bisher noch wenig. Aber nun sollen „Ziele und Zwecke der Planung, vorhandene Planungsalternativen sowie die voraussichtlichen Auswirkungen” im Rahmen einer Informationsveranstaltung (am 26. Juli 2011, 18:30 Uhr in der Eichendorffsporthalle) öffentlich erläutert werden. „Es besteht Gelegenheit zur Äußerung und Erörterung. Es wird darauf hingewiesen, dass Behörden und sonstige Träger öffentlicher Belange, deren Aufgabenbereich durch die Planung berührt sind, ebenfalls zu dieser Informationsveranstaltung eingeladen sind”, heißt es in der Einladung, verbunden mit dem Hinweis, die Planunterlagen seien vom 18. Juli 2011 bis einschließlich 12. August 2011 im Technischen Bürgeramt der Stadt Heidelberg einzusehen.

Könnte ein Beispiel für Bürgerbeteiligung sein – ist es aber nicht. Denn wenn Bürger beteiligt werden sollen, müssen sie auch informiert werden. Dazu reicht ein Absatz in einem förmlichen Artikel auf Seite 10 unter Bekanntmachungen im Stadtblatt nicht aus. Es gab keinen Artikel in der Zeitung, keine Einladung an die Bezirksbeiräte, keine Handzettel oder Plakate im Stadtteil.

So wurde zwar wahrscheinlich den rechtlichen Bestimmungen Genüge getan, nicht aber der Idee der Bürgerbeteiligung. Es geht nicht darum, ein Verfahren abzuspulen, von Station zu Station, sondern anzuerkennen, dass bestimmte Veränderungen in das Leben der Menschen eingreifen und dass diese deshalb das Recht haben, sich damit auseinander zu setzen, ihre Gedanken und Einwände zu äußern. Und zwar zu einem Zeitpunkt, an dem ein Einfluss noch möglich ist. Kritik braucht einen Ort, an dem sie ernstgenommen wird – mancher Ärger wäre damit vermeidbar. Sicher nicht jeder, denn es gibt Konflikte, die nicht befriedbar sind, an denen selbst Mediationen versagen. Es gibt Konflikte, bei denen letztlich demokratische Mehrheiten entscheiden und Minderheiten das akzeptieren müssen.

Trotzdem müssen Bürger auf dem Weg zu Entscheidungen mitreden können und gehört werden. Nicht weil ein Verfahren das vorsieht, sondern weil es zum Wesen einer lebendigen Demokratie gehört. Bürgerbeteiligung ist mehr als ein Regelwerk oder eine Abfolge von Verfahren – letztendlich ist wirkliche Bürgerbeteiligung eine Haltung, eine Kultur des Ernstnehmens der Bürger …