Das Ende einer „Rodungsinsel”

Bezirksbeiräte stimmen EMBL-Plänen zu (20.09.2012)

von Hans-Jürgen Fuchs

Die Bezirksbeiräte der Altstadt, des Boxberg und Rohrbachs diskutierten am 20.09.2012 die Pläne zur „Campusentwicklung des Europäischen Laboratoriums für Molekularbiologie (EMBL) und des Max-Planck-Institutes für Kernphysik (MPI), Masterplan für beide” in einer gemeinsamen Sitzung. Im Kern ging es dabei darum, dass die Institute sich ausdehnen und u. a. einen Teil der wunderschönen Bierhelderhofwiese bebauen wollen. Der Rohrbacher Bezirksbeirat hatte diese Pläne am 6.5.2009 bei zwei Enthaltungen abgelehnt, der Gemeinderat stimmte dagegen am 20.5. 2009 mit großer Mehrheit zu. (punker Bericht …)

Ein Lichtmikroskop! Oder ein anderes?

Bei der BegehungDamals stand alles unter hohem Zeitdruck. Ende Juni 2009 sollte eine Entscheidung über den Bau eines Zentrums für Lichtmikroskopie im Heidelberg fallen. Die Gremien sollten dem Bau vorab zustimmen. Drei Jahre sind vergangen. Und das Lichtmikroskop, wird es nun gebaut? Nicht direkt. Man hatte sich beworben, aber dann kam die Politik und auch die Wissenschaftler, „man kennt das ja”, so Prof. Henze, Stellvertretender Direktor des EMBL (ich ehrlich gesagt eigentlich nicht), jedenfalls hat sich das damalige Vorhaben zerschlagen, das Lichtmikroprojekt ist aber nicht gestorben, sondern ein neues, noch größeres aufgegangen, das irgendwie heißt. Und ganz dringend ist. Und deshalb braucht das EMBL nun Sicherheit etc. Déjà-vu …

Dr. Jahn, Senior Adviser des EMBL, drückte es etwas weniger verschlüsselt aus: Damals, so sagte er, und er könne das heute sagen, denn er sei ja eigentlich pensioniert, also damals, da habe er, das müsse er zugeben, etwas mehr Druck auf die Entscheidungsgremien ausgeübt, als unbedingt von der Sache her gerechtfertigt gewesen sei. Der Schelm.

Aber heute ist das natürlich ganz anders. Der Druck real, die Entscheidungsnotwendigkeit nicht zu bestreiten …

Natur! Oder Kultur-Natur?

Deshalb nun also eine weitere Sitzung. Zweck war es, einen zwischen Stadt und EMBL ausgehandelten städtebaulichen Vertrag zu beschließen, dessen Ziel es ist, dem EMBL für das Recht, auf der Wiese zu bauen einen Verzicht abzuringen, sich auf ihm zustehendem Gelände im Wald westlich der derzeitigen Bebauung auszudehnen.

Oder – weil Schachtelsätze so unübersichtlich sind und sich allzu leicht grammatikalische und andere Fehler einschleichen können – einfacher ausgedrückt: Das EMBL dürfte eigentlich ohne weitere Erlaubnis bauen: im Wald westlich der bestehenden Gebäude. Das Recht dazu gibt ihn ein internationaler „Sitzstaatsvertrag” aus dem Jahr 1975. Dieses Gelände ist aber ökologisch wertvoller Wald. Und steil. Und damit teuer zu bebauen. Also hätte die Stadt Heidelberg lieber, das EMBL baute auf der Bierhelderhofwiese – wegen der Ökopunkte. Und das EMBL würde sowieso lieber auf der Wiese bauen – weils billiger ist. Wie sagte Dr. Jahn, Senior Adviser des EMBL in schöner Offenheit: „Solange wir auf die Wiese bauen dürfen, denken wir nicht im Traum daran, in den Wald zu bauen.”

Nun kommen wir ins Spiel. Denn wir mögen die Wiese. Sie ist für uns ein Stück Kultur-Natur. Etwas, was nicht quantifizierbar ist. Das heißt: so wichtig FFH-Kriterien etc. sind, so wenig beschreiben sie den optischen und emotionalen Wert einer Gegend. Wer würde FFH-Kriterien an den Philosophenweg anlegen?

Keine Frage: Heidelberg braucht die Wissenschaft. Aber die Wissenschaft braucht auch Heidelberg. Will meinen: sie braucht die Atmosphäre der Stadt – so wie sie ist. Wissen schafft möglicherweise Stadt, aber nicht jede Stadt ist gleich lebens- und liebenswert.

Die Bierhelderhofwiese nun ist ein Kleinod, wie es in Heidelberg nur noch ganz wenige gibt. Wer dies zur Disposition stellt, zerstört einen ideellen Wert mindesten für 10 Jahre. So lange, bis die Bäume, die vor die geplanten Gebäude gestellt werden sollen, groß genug sind. Und danach ist der Blick auch nur im Sommer ungetrübt. Und nur vom Bierhelderhof, wohl nicht vom Waldrandweg zwischen Waldpiraten und Waldfriedhof.

Deshalb also unser Ruf gegen den „Angriff der Klonkrieger”.

Zustimmung! Und Ablehnung?

Inzwischen gibt es auch Stimmen, die meinen, man solle dem EMBL-Vorschlag zustimmen. Ernst zu nehmende und weniger ernst zu nehmende.

Stefan Richter, Rohrbacher Bezirksbeirat für die Grünen etwa schreibt: „… Wie man an dem Geländeprofil sieht …, ist derzeit der teilweise hohe Gebäudekomplex des EMBL deshalb vom Promenadenweg nicht zu sehen, weil das EMBL auf einem kleinen Plateau liegt. Die derzeit erlaubte Erweiterung am Hang würde vermutlich von der Wiese aus sichtbar werden, so dass diese am Hang mit 15% Steigung nicht mehr von Bäumen zugewachsen werden kann. Außerdem ist nach meiner Ansicht ein natürlicher Buchenwald ökologisch wertvoller als eine Kulturwiese die in den letzten Jahren auch noch zu großen Teilen zum Maisanbau verwendet wurde. … Allerdings muss bei dem Flächentausch vertraglich sichergestellt sein, dass nicht der Hang und die Wiese zugebaut wird. Das ist gegenwärtig nicht der Fall. Daher muss die Verwaltung der Stadt und des EMBL vermutlich noch nacharbeiten.” (vollständige Stellungnahme …)

Richter fragte also nach: wer garantiert, dass der städtebauliche Vertrag wirklich verhindert, dass nicht später doch noch im Waldbereich gebaut wird? Schließlich steht im Vertrag auch: „Der Abschluss dieses Vertrages durch EMBL stellt keine Einschränkung von oder gar einen Verzicht auf EMBLs völkerrechtliche Vorrechte und Befreiungen dar ...”. Und zudem kann der Vertrag jederzeit bei Vorliegen wichtiger Gründe gekündigt werden.

Die Antwort der Stadt war eindeutig: der Vertrag vereinbart den Flächentausch zwar, das heißt aber auch, dass man nur davon ausgehen kann, dass das EMBL sich an die Absprache hält. Rechtlich verzichtet das Institut allerdings nicht auf seine Rechte aus dem Sitzstaatsvertrag. Aber, so OB Würzner, der den ersten Teil der Sitzung leitete, ein solcher Vertrag sei in hohem Maße bindend. Und auch Prof. Henze bestätigte, dass zwar heute niemand sahen könne, was in 15 oder 20 Jahren passieren wird, allerdings sichere er zu, dass in den nächsten 10 Jahren kein weiterer Bau geplant ist.

Es gab also Gründe, warum viele Bezirksbeiräte, konservative wie grün-rote, der Vorlage zustimmten.

Und interessante Gründe für die Ablehnung durch einige, konservative Räte. Sie stießen sich nicht an der geplanten Bebauung, sondern daran, dass ein Stück der Wiese für die Aufforstung des Sichtschutzes geopfert werden sollte. Man müsse die Häuser gar nicht verstecken, schließlich seien sie ja eh nur von der Straße aus zu sehen und man könne ja auch ästhetische Gebäude bauen …

Und da dachte man immer, konservativ habe etwas mit bewahren zu tun. „Konservativ" kommt vom lateinischen Wort "conservare", was so viel wie "erhalten" bedeutet.”, schreibt der Landesbildungsserver Baden-Württemberg, allerdings zum Thema „Elektrizitätslehre II, Materialien zur Elektrizitätslehre der Kursstufe, Experimente zur lenzschen Regel”. Und mit dem Hinweis verbunden. „Physik ist konservativ.“ Allerdings auch mit der Ergänzung: „Dieser Satz ist überhaupt nicht politisch zu verstehen!”.

Wie gesagt: es gab Gründe, der Vorlage zuzustimmen und viele, unterschiedliche, sie abzulehnen. Das Ergebnis aber war eindeutig: Die Räte von Rohrbach und dem Boxberg stimmten der Verwaltungsvorlage mit großer Mehrheit zu (jeweils 7-8 Ja- bei 1-3 Neinstimmen), die der Altstadt durften nicht abstimmen, da sie es nicht geschafft hatten, in beschlussfähiger Zahl zu erscheinen. Was ist schon Rohrbach aus der Sicht der Innenstadt.

Was bleibt?

Wieder ein Stückchen Schönheit in der Stadt weniger. Man kann die Gründe der Zustimmenden zwar nachvollziehen, trotzdem mutet es skurril an, wenn ein Kleinod zerstört wird und gleichzeitig 200 Hektar Konvertionsflächen einer neuen Bestimmung zugeführt werden sollen …

Angriff der Klonkrieger?

Eine Erwiderung von Stefan Richter

Die Lichtung am Bierhelderhof ist mir wichtig. Es ist ein schönes Ausflugsziel, bei dem man seinen Blick schweifen lassen kann. Vor etwa 40 Jahren wurde von den damaligen Verantwortlichen das EMBL und das MPI für Kernphysik am Rand dieses Ausflugsziels angesiedelt. Das EMBL geniest dabei als internationale Institution eine gewisse gesetzlich verbriefte Immunität und kann innerhalb des EMBL Campus erweitern.

Die Flächen zur Erweiterung des EMBL wurden aber vor 40 Jahren nicht sehr sorgfältig ausgewählt. Das Gebiet liegt in einem quellreichen Waldmeister-Buchenwald entlang eines Hanges. Auf diesem Gebiet könnte das EMBL sofort anfangen zu bauen. Warum hat sich das EMBL nicht schon längst in diesem Gebiet erweitert, sondern strebt einen Flächentausch mit der Stadt auf der Wiese an? Meine Vermutung ist, dass es vermutlich nicht gerade billig ist in einem quellreichen Hangwald mit 15% Steigung ein Laborgebäude zu errichten.

Warum aber sollten wir diesem Tausch zustimmen? Schliesslich wollen wir die Wiese als Ausflugsziel. Wie man an dem Geländeprofil sieht (erstellt mit http://geo.ebp.ch/gelaendeprofil/), ist derzeit der teilweise hohe Gebäudekomplex des EMBL deshalb vom Promenadenweg nicht zu sehen, weil das EMBL auf einem kleinen Plateau liegt. Die derzeit erlaubte Erweiterung am Hang würde vermutlich von der Wiese aus sichtbar werden, so dass diese am Hang mit 15% Steigung nicht mehr von Bäumen zugewachsen werden kann. Ausserdem ist nach meiner Ansicht ein natürlicher Buchenwald ökologisch wertvoller als eine Kulturwiese die in den letzten Jahren auch noch zu grossen Teilen zum Maisanbau verwendet wurde.

Geländeprofil

Wesentlich ist in meinen Augen, dass die Mittel welche das EMBL zur Aufforstung des neuen Waldsaumes zur Verfügung stellt, ausreichen um nicht nur kleine Bäume zu pflanzen. Diese würden sonst 20 Jahre brauchen bis sie als Sichtschutz funktionieren. Gebraucht werden hier Bäume z.B. Buchen oder Eichen, denn die werden schön wuchtig, die schon 5-7m hoch sind (und 30-40cm Stammumfang haben). Mindestens für die ersten beiden Baumreihen am neuen Waldsaum. Damit wäre die Wiese in 7-10 Jahren zwar etwas kleiner aber wieder von Wald umschlossen.

Allerdings muss bei dem Flächentausch vertraglich sichergestellt sein, dass nicht der Hang und die Wiese zugebaut wird. Das ist gegenwärtig nicht der Fall. Daher muss die Verwaltung der Stadt und des EMBL vermutlich noch nacharbeiten.

Der Angriff der Klonkrieger …

Der Anfang vom Ende der Bierhelderhofwiese?

Von Hans-Jürgen Fuchs

Beginnen wir mit einem Bekenntnis! Gerät man doch sonst in Verdacht, zu den Verhinderern zu gehören! Zu jenen, die immer nur nein sagen. Und damit dem Wissenschaftsstandort Heidelberg schaden, ja ihn kaputt machen. Also halten wir nicht hinter den Berg: Wir sind nicht gegen das EMBL. Wir sind dafür, wir lieben es quasi! Jawohl, so ist das!

Aber – bei aller Liebe – heisst das, dass man alles gut finden muss? Schließlich lieben wir ja nicht nur das EMBL, sondern auch die anderen schönen Teile unserer Stadt. Den Fluss, das Schloss und die ganze Landschaft aussen herum. Ja, vor allem die. Zum Beispiel jenes Kleinod, das der Bierhelderhof und seine Wiesen bilden.

Und da beginnt der Konflikt. Hinter den Wiesen ist Wald. Und da mittendrin ist das EMBL. Seit dem „Gesetz zur Sitzstaatvereinbarung vom 10.12.1974 zwischen der Regierung der Bundesrepublik Deutschland und dem Europäischen Laboratorium für Molekularbiologie“ wird dem EMBL das Grundstück beim Bierhelderhof „in baureifem Zustand“ überlassen. Und das ist gut so. Man kann es gar nicht oft genug sagen.

Die Wiese hinter dem Bierhelderhof

Objekt der Begierde: Die Wiese hinter dem Bierhelderhof

Das EMBL wächst …

Der EMBL-Campus – wie das heute so schön heißt – ist kontinuierlich gewachsen. Gegenwärtig ist das „Advanced Training Center (ATC)“ im Bau. Und als nächster Bauabschnitt sind ein Gästehaus und das Europäische Zentrum für Lichtmikroskopie vorgesehen.

Nun ist das EMBL-Gelände relativ groß. Weniger als die Hälfte ist bisher bebaut. Also plante das EMBL seine Erweiterungen im Bereich südlich der bestehenden Bebauung – im Wald also. Im Mai 2008 präsentierte es der Verwaltung den Bedarf für die Campusentwicklung der nächsten 15 Jahre. Und hier stellte sich – so die Stadt – erstmals die grundsätzliche Frage: Erweiterung innerhalb der überlassenen Baufläche oder auf der offenen Wiesenlandschaft, in die euphemistisch „Rodungsinsel“ genannte Weide des Bierhelderhofs. Dabei kamen die Bedenken gegen die Ausweitung nach Süden wohl von Seiten der Stadt. Das EMBL-Gelände grenzt dort an wertvolle Waldgebiete. Als Alternative wurde also die Wiese des Bierhelderhofs auserkoren. In der „kritischen Abwägung / Erläuterungen zu Zielkonflikten” heißt es: „Die Nachteile der vorgeschlagenen Campuserweiterung liegen im Flächenverbrauch und der Beeinträchtigung des Landschaftsbildes. Sie können aber durch den Erhalt der Waldbiotope und die Aufforstungen mehr als kompensiert werden.”

Der ursprüngliche EMBL-Plan

Der ursprüngliche EMBL-Plan: Ausdehung auf eigenem Gelände in der Wald

Anfang Juni 2008 wurden drei Büros beauftragt, jeweils eine städtebauliche Entwicklungsstudie zu erstellen, und vor allem die landschaftsgestalterische Einbindung und ökologische Verträglichkeit der Varianten zu untersuchen und zu bewerten.

Das Planungsbüro Lohrer.Hochrein wurde anschließend durch das EMBL mit der Weiterbearbeitung betraut und stellte im November 2008 die Konkretisierung seiner Planung vor. Nach diesem Konzept sollen Gästehäuser und Gemeinschaftsbereiche im Süden des Campus entstehen. Das Gebäude für das Europäische Zentrum für Lichtmikroskopie soll aber in den Norden an den Rand der Wiese und damit zur Hälfte ausserhalb des bisherigen Geländes des EMBL gebaut werden. In einem weiteren Bauabschnitt sollen dann drei neue Laborgebäude direkt auf der Wiese gebaut werden. Vorher ist jedoch die Pflanzung eines Baumstreifens vorgesehen, so dass die neuen Gebäude nur wenig sichtbar sein sollen – wenn dann mal die Bäume groß genug sein werden. Wie heißt es so schön im Gutachten der Planer: „Visuelle Beeinträchtigungen durch Bau und Gebäude sind dadurch minimiert.” Was heißt: Es wird sie auf jeden Fall geben.

Das MPI wächst auch …

Oben am Bierhelderhof residiert aber nicht nur das EMBL auch das Max-Planck-Institut für Kernphysik hat dort seinen Campus. Und, wen wundert es, auch dieses meldet nun Erweiterungswünsche an. Was wir natürlich auch verstehen und unterstützen. Denn wir sind auch für das MPI, haben es nicht weniger ins Herz geschlossen als das EMBL und wollen auch die MPI-Entwicklung fördern. Die Stadt schlägt nun vor, die verschiedenen Wünsche der Institute in einen Masterplan einfließen zu lassen, der die möglichen künftigen Erweiterungen der beiden wissenschaftlichen Einrichtungen definiert. Dieser gemeinsame Masterplan sollte bis Herbst 2009 erstellt werden.

Die neuen Pläne: Bau teilweise auf der Wiese des Bierhelderhofs

Die neuen Pläne: Bauten auf der Wiese des Bierhelderhofs
1: Bierhelderhof | 2: Teil der Wiese, auf die das EMBL zugreifen will || 3: Geplanter neuer Waldsaum || 4: Geplantes Lichtmikroskopiezentrum – bereits zur Hälfte auf Nicht-EMBL-Gelände, aber noch im bestehenden Wald || 5: Geplante Laborgebäude auf der jetzigen Wiese (2. Bauabschnitt) || 6: Geplante Gästehäuser || 7: MPI

Sach- und Zeitzwänge …

An dieser Stelle kommt der Faktor Zeit ins Spiel. Ein Faktor, der in Heidelberg inzwischen sehr in Mode gekommen ist. Man erinnere sich an die Nordrampe, deren Bau sofort begonnen werden sollte, weil sonst der Verkehr mit sofortiger Wirkung zusammen gebrochen wäre. Was nicht passiert ist.

Der Faktor Zeit also. Die Entscheidung, ob das Europäische Zentrum für Lichtmikroskopie nach Heidelberg kommen wird, soll – so die Stadt – auf dem vom 29.06.2009 bis 02.07.2009 stattfindenden Council-Meeting der Mitgliedsstaaten des EMBL fallen. Dabei möchte das EMBL Heidelberg einen Plan für die Campusentwicklung präsentieren, aus dem hervorgeht, dass genügend Fläche für das Europäische Zentrum für Lichtmikroskopie zur Verfügung steht und dass der zukünftig damit einhergehende zusätzliche Platzbedarf abgedeckt werden kann. Dem EMBL war es wichtig, dass sich der Heidelberger Gemeinderat vorher mit der Sache beschäftigt und seine Zustimmung zu einer Erweiterung ausserhalb des bisherigen Geländes erteilt. In der städtischen Vorlage heißt es: „Um dem EMBL die notwendige Voraussetzung für die Bewerbung um den Standort für das Zentrum für Lichtmikroskopie geben zu können, hat die Stadt verbindlich in Aussicht gestellt, ggf. bereits vor dem Ergebnis des Masterplanes eine Baugenehmigung zu erteilen. Diese Zusicherung wird das internationale Gremium der EU für eine Entscheidung zugunsten des Standortes Heidelberg benötigen. Um die Weiterentwicklung des EMBL in Heidelberg sicherzustellen schlägt die Verwaltung vor, entsprechend der Darstellung des Entwicklungskonzepts vom Planungsbüro Lohrer.Hochrein einer Erweiterung der über der im Sitzstaatvertrag von 1974 überlassenen Baufläche hinaus grundsätzlich zuzustimmen.”

Und damit hatten Bezirksbeirat und Gemeinderat eine Vorlage, in der eine Alternative: „Bau auf der Wiese” oder „dem EMBL schaden” aufgebaut worden war. Und wer will schon dem EMBL schaden? Wir jedenfalls nicht. Wir sind für das EMBL! Wir befürworten seinen Ausbau.

… die keine sind

Nur: Wir können lesen. Das vergisst man immer wieder bei „der” Stadt. Und die EMBL-Vorlagen zeigen ganz klar: Das Institut kann sich problemlos auf seinem eigenen Gelände ausdehnen. Es hat das sogar staatsvertraglich garantierte Recht dazu. Es braucht unsere Zustimmung gar nicht. Ergo: Es gibt auch gar keinen Zeitdruck!

Warum also das ganze Theater: Sondersitzung des Bezirksbeirats, Nichtöffentlichkeit, Eine Phalanx im Gemeinderat, die so tut als sei, wer jetzt noch etwas an der Verwaltungsvorlage ändern wolle, gegen das EMBL an sich und überhaupt gegen den Wissenschaftsstandort Heidelberg. Warum das Gewese? Nun: Es geht eigentlich gar nicht darum, schnell die Voraussetzungen zu schaffen, dass das Lichtmikroskopiezentrum am Ort gebaut werden kann. Das kann es sowieso, das EMBL-Gelände bietet dazu mehr als genug Platz. Und selbst wenn wir das wollten: wir könnten es gar nicht verhindern.

Nein, es geht gar nicht um das Mikroskopiezentrum. Es geht vielmehr um künftige Erweiterungen: Die Gelände des EMBL und möglicherweise auch das des MPI sollen erweitert werden. Ein Teil der Wiese am Bierhelderhof steht zur Disposition. Darum geht es. Deshalb die Nebelkerzen, die Euphemismen, der scheinbare Zeitdruck und der Dampfhammer „Wissenschaftsstandortzerstörer”.

Der Rohrbacher Bezirksbeirat hat das verstanden …

Der Rohrbacher Bezirksbeirat hat das verstanden. Und die städtische Vorlage bei zwei Enthaltungen und ohne Ja-Stimmen abgelehnt. Im Stadtentwicklungsausschuss sah das Ganze dann anders aus. Hier enthielt sich nur die GAL, alle anderen Parteien stimmten zu. Die Sitzung sei schlecht vorbereitet gewesen, hieß es, die Technik (Beamer) habe versagt und deshalb habe der Bezirksbeirat falsch entschieden.

Wie? Die Technik? Der Beamer? Es lagen umfangreiche schriftliche Materialien vor (hier nachzulesen), die auch ohne Beamer bestens präsentiert wurden. Und wie gesagt: wir können lesen. Wir haben die Vorlage abgelehnt, weil wir zwar das EMBL lieben, aber auch die Bierhelderhofwiese. Und weil das EMBL bauen kann, ohne die Wiese und damit das Landschaftsbild zu zerstören. Wir haben abgelehnt, weil wir das eine haben können ohne das andere zu lassen. Die aufgebauten Alternativen sind schlichtweg falsch. Es geht nicht um Kühe vs. Forschung, nicht um Erhalt vs. Fortschritt. Wenn es überhaupt eine Alternative gibt, dann die Wald vs. Wiesenlandschaft. Und da müssen wir sagen: Wald gibt es bei uns sehr viel (und immer mehr), schöne Kulturlandschaften aber immer weniger. Und einen Blick wie den auf die Bierhelderhofwiese nur einmal. Es lohnt sich, für diesen Schatz zu kämpfen …

… der Gemeinderat nicht

Die Bebauung eines Teils der Wiese am Bierhelderhof wurde schließlich auch im Gemeinderat grundsätzlich abgesegnet. Allerdings gab es hier und im Anschluss an die Sitzung schon deutlichere Kontroversen. Im Gemeinderat sprachen sich GAL und Bunte Linke gegen die Bebauung aus. Alle anderen Parteien, incl. SPD, stimmten dafür. Die Fraktion der GAL reagierte auf die Abstimmung mit einem geharnischten Artikel auf ihrer Website und mit spitzen Plakaten in Rohrbach. Der Vorwurf: Obwohl es eine tragfähige Absprache gegeben hätte, die den Bau des Lichtmikroskopiezentrum am beantragten Ort erlaubt hätte, weiter gehende Baupläne aber einem künftigen Gesamtkonzept überlassen hätte, sei der Antrag der Verwaltung angenommen worden. Durch das Abstimmungsverhalten der SPD sei nun der Zugriff auf die Wiese am Bierhelderhof frei.

Nun ist Wahlkampf, und da gerät gerne einmal ein Bild zum Holzschnitt. Doch m.E. ist das Thema zu wichtig, um sich aus der Debatte rauszuhalten bis die Wahlen entschieden sind. Am besten bilden Sie sich selbst eine Meinung, liebe punker-Leser/innen. Die städtischen Vorlagen zum Projekt finden Sie hier. Den GAL-Kommentar dokumentieren wir im Folgenden ungekürzt – genauso wie eine Stellungnahme des SPD-Stadtrats Emer zur Sache und den GAL-Vorwürfen.

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Die aktuellen Gelände von EBL und MPI

Die aktuellen Gelände von EBL und MPI

Stellungnahme der GAL: Gemeinderat beschließt Bebauung der Bierhelderhofwiese – nur GAL und BL waren dagegen

Im Konflikt um die Erweiterung des EMBL und dem Erhalt der Flächen rund um den Bierhelderhof hatte die GAL einen Weg gefunden, das eine zu tun ohne das andere zu lassen. In der Gemeinderatsitzung stellte sie folgenden Antrag

Antrag zu TOP 7 "Campusentwicklung EMBL"
Beschlussvorschlag der Verwaltung, Punkt 2 geändert:

„2. Entsprechend der Darstellung dieses Konzeptes stimmt der Gemeinderat einer Erweiterung der über die im Sitzstaatsvertrag von 1974 überlassenen Baufläche hinaus zu, soweit sie das Gebäude für das 'Europäische Zentrum für Lichtmikroskopie' betrifft. Darüber hinausgehende Erweiterungen werden im Zusammenhang mit dem vorzulegenden Masterplan für die Erweiterung von EMBL und MPI für Kernphysik diskutiert und entschieden.”

Damit dachten wir, einerseits dem EMBL gegenüber das gewünschte „Signal” für die Ansiedelung der Lichtmikroskopie zu geben, andererseits die neuen Laborgebäude, die davon unabhängig und auch für eine spätere Ausbauphase gedacht sind, auf der Wiese zu verhindern. Wir sahen keine Notwendigkeit, darüber jetzt schon abschließend zu befinden, da der (von der Verwaltung verursachte) Zeitdruck sich eben „nur” auf die Lichtmikroskopie bezieht, nicht aber auf weitere Ausbaupläne. Hier wollten wir den für Herbst avisierten Masterplan abwarten, der ja auch die MPI Wünsche dann mit berücksichtigen soll … All das war auch mit der SPD beraten und traf auf Zustimmung.

In der Gemeinderatssitzung haben dann CDU, FWV, Heidelberger und FDP „zum Angriff geblasen”: Wer jetzt noch was an der Verwaltungsvorlage ändern wolle sei gegen das EMBL und überhaupt gegen den Wissenschaftsstandort Heidelberg. Die SPD ließ sich beeindrucken und hat zugestimmt (ohne Frau Spinnler).

Besonders bitter stößt mir dabei auf, dass der OB am Anfang der Debatte signalisiert hatte, dass er mit unserem Antrag leben könne … Wenn also die SPD nicht feige zurückgezogen hätte, hätten wir mit 20:20 die Verwaltungsvorlage ablehnen und unseren, besseren, Vorschlag verabschieden können!

Jetzt ist die Tür offen: Das EMBL greift auf die südöstliche Wiese zu und es braucht keine prophetischen Gaben um zu erwarten, dass das MPI dann Ansprüche auf die nordöstliche Wiese geltend macht.

Wir sind bitter enttäuscht über das feige Verhalten der SPD! Von den anderen hatten wir ja nichts weiter erwartet, aber von der SPD, die so „nah bei den Menschen” sein möchte, schon!

Judith Marggraf, Vorsitzende der GAL-Fraktion im Heidelberger Gemeinderat

Stellungnahme von Karl Emer, SPD-Gemeinderat

Ohne Zweifel handelte es sich bei der Grundsatzentscheidung um die Erweiterungspläne des Europäischen Labors für Molekularbiologie (EMBL) um einen wesentlichen Zielkonflikt. Auf der einen Seite stehen die gesetzten Maßstäbe zum Erhalt des Landschafts- und Naturschutzgebietes. Auf der anderen Seite die Entwicklungschancen eines weltweit renommierten Forschungslabors. Zwischen diesen beiden gegensätzlichen Zielen galt es im Gemeinderat am 21. Mai abzuwägen und zu entscheiden.

Zur Ausgangslage: EMBL könnte auf der 1974 durch internationalen Vertrag überlassenen Baufläche („Sitzstaatsvertragsfläche“) bis zum Anschlag ungebremst weiter bauen, insbesondere in den Hangwald Richtung Boxberg und in den Quellbereich des Rohrbachs hinein (südlich und östlich der Meyerhofstraße). Das wäre sozusagen die Fortsetzung des Bauens in ökologisch sensiblen Flächen ohne städtebaulichen Plan wie bisher. Die Stadtverwaltung hatte nun dem Gemeinderat - und zuvor dem Bezirksbeirat Rohrbach – das Ergebnis rd. 1-jährigen Bemühens vorgelegt. Hier heißt es: „Die grundsätzliche Frage war: Erweiterung südlich der Meyerhofstraße im Wald, das heißt innerhalb der überlassenen Baufläche oder auf der offenen Wiesenlandschaft, in die nördlich gelegene ‚Rodungsinsel’, die derzeit als Weideland genutzt wird?“

Die SPD-Fraktion stimmte nach ausführlicher Abwägung mit großer Mehrheit auf der Grundlage des erstellten Entwicklungskonzepts „einer Erweiterung der über der im Sitzstaatvertrag von 1974 überlassenen Baufläche hinaus grundsätzlich zu“. Einig sind wir mit den fachlichen Einschätzungen,

• dass es weiterer vertiefender Untersuchungen im Umweltbereich bedarf,

• dass es – unabhängig vom Standort der vorgeschlagenen Erweiterung – auch einer verbesserten Orientierung sowie freiraumplanerischen Gesamtbetrachtung innerhalb des Areals bedarf und

• dass grundsätzlich eine verdichtete, flächensparende Bauweise anzustreben ist.

Das Ergebnis dieser vertiefenden Planung soll im kommenden Herbst dem Gemeinderat vorgelegt werden. Dieser Masterplan muss den gesteckten Zielen Folge leisten. Leider lehnten der Oberbürgermeister und die Konservativen unseren Antrag, 1. ein Konzept zur öffentlichen Bürgerbeteiligung vorzulegen, 2. darzustellen, wie die Umsetzung der Erweiterungsbauten mit den Belangen des Landschaftsschutzgebietes in Übereinstimmung gebracht werden soll, mit 18:17 Stimmen ab. Trotzdem wird die Verwaltung die gesetzlichen Vorgaben erfüllen müssen.

Mit dem Bau des Gebäudes für die Lichtmikroskopie, den auch GAL/Grüne in ihrem Antrag befürworteten, wird schon der Waldsaum zur Wiese „angekratzt“. D. h. bereits damit wird eine Aufforstung in die Wiese hinein erforderlich, wenn der Neubau durch Bäume verdeckt werden soll. Diese Ehrlichkeit gegenüber den BürgerInnen – auch wenige Tage vor der Wahl – muss schon sein: Wenn man die Erweiterungspläne des EMBL auf dem Berg grundsätzlich unterstützt, muss man auch sagen, welche Flächen – ob Wald oder Wiese – dafür herhalten müssen.