Gedenkveranstaltung zur Pogromnacht
mit einem Vortrag über Ruth Veit Simon, 1940 jüdische Patientin in der Thoraxklinik
Bericht: Claudia Rink Fotos: Reiner Herbold / Josef Scherhaufer
Am Abend des 9. November trafen sich auch dieses Jahr wieder über 70 Personen im Stadtteil Rohrbach, an dem Platz, wo einst die Synagoge stand, um an ihre Zerstörung im Jahr 1938 zu erinnern.
Angeführt vom Studentensturmbannführer Franz von Chelius drangen in den frühen Morgenstunden des 10. Novembers SA-Männer und Studenten in die Rohrbacher Synagoge ein, nachdem sie bereits die Synagoge in der Altstadt in Flammen gesetzt und auf ihrem Weg nach Süden, Geschäfte und Wohnungen in der Weststadt geplündert und demoliert und jüdische Menschen verprügelt hatten. In Rohrbach setzten sie ihr Verwüstungswerk fort: Die Tür zur Synagoge wurde eingeschlagen, Bänke und Mobiliar mit Äxten zertrümmert, Bücher aufgeschichtet und in Brand gesteckt, um danach das Gebäude in Flammen aufgehen zu lassen; Sie zogen weiter zur Bäckerei Beer in der Rathausstraße 64, leerten die Mehlsäcke auf der Straße aus und zerstörten auch dort, was sie zerstören konnten. Nachdem Claudia Rink vom Punker e.V. an dieses schreckliche Rohrbacher Geschehen erinnert hatte, lasen Birgit und Dieter Roos, die Namen der 75 Rohrbacher Jüdinnen und Juden vor, ebenso die Namen der Straßen, in denen sie zwischen 1933 und 1945 gelebt haben. Daniel Schmidt von der jüdischen Gemeinde beendete die würdige Zeremonie am Gedenkstein mit der Lesung eines Psalms.
Zur Fortsetzung der Gedenkfeier traf man sich in der Thoraxklinik, wo der Stadtteilvereinsvorsitzende Hans-Jürgen Fuchs in seiner Begrüßung daran erinnerte, dass es auch heute wieder den Versuch einer Revision der deutschen Geschichte gibt, wenn Politiker populistischer Parteien uns Glauben machen wollen, dass „den Deutschen durch die Bewältigungspolitik der unbefangene Zugang zu ihrem eigentlichen Wesen versperrt” würde. Fuchs machte deutlich, dass diese Veranstaltung ein Zeichen setzen wolle gegen den erneuten „Versuch einer Auslöschung historischen Bewusstseins, gegen das Vergessen und die Versuche der Uminterpretation unserer Geschichte”. Die Erinnerung soll wach gehalten werden an das, was geschehen ist und den Opfern ein Gesicht gegeben werden, betonte er.
In einem sehr anschaulichen Vortrag schilderte Michael Ehmann, Präventionsbeauftragter der Thoraxklinik, die wechselvolle Geschichte der aus Berlin stammenden Jüdin Ruth Veit Simon und ihrer angesehenen Berliner Familie. 1940 war Ruth Patientin in der Thoraxklinik und ihre Krankheit, die Tuberkulose, verhinderte ihre Flucht aus Deutschland. Kein Land nahm sie mit dieser Diagnose auf. Ehmann zitierte aus dem sehr lebendigen und bildhaften Briefwechsel, den Ruth mit der Familie in Berlin führte, in dem die Klinik und das örtliche Umfeld geschildert werden: manches Merkwürdige, auch Komisches, aber auch Dramatisches. Ruth Veit Simon starb nach ihrer Deportation nach Theresienstadt an ihrer Krankheit.
Das Rohrbacher Duo »martinique« rahmte die Veranstaltung mit Klängen vom Akkordeon und Saxophon. Besinnlich und ergreifend bereicherten ihre Musikstücke die Veranstaltung.