Pfarrer Herbert Anzinger verläßt Rohrbach
von Hans-Jürgen Fuchs | 8. April 2005
Es gärt schon lange in der Evangelischen Gemeinde Rohrbach. Nun haben die Spannungen ein (weiteres?) Opfer gefordert: Pfarrer Dr. Herbert Anzinger und seine Familie verlassen Rohrbach. Dr. Anzinger wird zunächst eine Fortbildung absolvieren und zum 1. September eine Pfarrstelle in Heddesheim antreten.
Es ist ein offenes Geheimnis, dass Anzinger und seine Kollegin Kuhn-Salonek aus Rohrbach-West, nicht miteinander können. Auf einer Klausur der Gemeinde wurde deshalb von vielen Seiten die Forderung erhoben, die beiden sollten sich einer Mediation unterziehen. Einige Gemeindemitglieder forderten gar, eine(r) von beiden müsse gehen. Offensichtlich hat Herbert Anzinger nun die Konsequenzen gezogen. Ob sein Weggang eine Befriedigung bringt sei dahin gestellt. Es wäre der Gemeinde zu wünschen.
Meine Familie und ich lernten Pfarrer Anzinger kennen nicht lange nachdem wir nach Rohrbach gezogen waren. Die Kinder waren klein, der Besuch des Weihnachtsgottesdienstes und einzelner anderer Gottesdienste war der erste Kontakt zur Kirche seit meiner Konfirmation – sieht man einmal von wenigen Beerdigungen ab. Meine Erinnerung an Kirche war eine aus der Halbpubertät: Sünde und Hölle waren damals noch ziemlich allgegenwärtig.
Und dann der Kontrast. Da stand ein Mann, sprach mit seiner dunklen, warmen Stimme von einem Gott, dem Kriege nicht gleichgültig sind, der nicht die Augen verschließt, wenn Neonazis Farbige zusammenschlagen. Ein Mann, der für mich und viele andere jene Kirche repräsentierte, die jenseits der allgegenwärtigen Verwertungsinteressen das humanisitische und aufklärerische, ein Stück weit auch das nicht angepasste Erbe des Christentums lebt. Ein Mann, der als Pfarrer in der Kirche die Leistungen von Kindern und Jugendlichen beklatschte, der so gut passte in unsere helle Melanchtonkirche. Die Kirche mit den Weinreben an den Wänden, den Reformatoren auf den großen Fenstern, die, so streng sie im Leben waren, hier eher mild auf die Gemeinde blicken.
Den »punker« ermöglichte Pfarrer Anzinger “Licht in der Dunkelheit”. Er hat daran mitgewirkt und hat damit auch geholfen, Brücken zu schlagen zwischen den Neuen im Stadtteil und den Älteren, die auch gerne ins Konzert kommen.
Offensichtlich ist es ihm aber nicht gelungen, Brücken zu schlagen zwischen Rohrbach-West und -Ost. Vielleicht wollte Herbert Anzinger mit seinem Weggang den Weg frei machen für ein Überwinden der Kluft. Vielleicht wollte er aber auch selbst nicht zerrieben werden.
Wie dem auch sei: Wir verlieren in Rohrbach einen Menschen, der mein Bild des Stadtteils mit geprägt hat. Schade, dass eine bessere Lösung offenbar nicht möglich war. Wir wünschen Herbert Anzinger und seiner Familie einen guten Neuanfang in Heddesheim, viele aufregende Erfahrungen – aber weniger „spannende”!