Esprit und Hintersinn

Kabarett und Chansons von und mit Madeleine Sauveur & Clemens Maria Kitschen am Klavier

(10. Februar 2007 in der „Linde”)

von Ludwig Schmidt-Herb

„Hätten Sie gern mal gewusst, was Geldsorgen mit Fußböden zu tun haben und was das Geheimnis von Traumpaaren ist?  Und wüssten Sie gern, wie der Schlaf aussieht, der nicht kommt? Oder wie man in 10 Minuten ein Lebensproblem aus der Welt schafft und was Autobahnklos mit dem Altern  zu tun haben?
Also räumen Sie erst mal Ihren Keller auf, dann kann über alles geredet werden. Über die Vergangenheit und die Zukunft, wenn nicht wieder irgendwas dazwischenkommt !!!
Madeleine Sauveur ist eine der brillantesten Plaudertaschen dieses Landes. Auf der Suche nach den Ungeheuerlichkeiten des Alltags wird sie immer wieder fündig -  kühn, charmant, mit einem Witz, der auch mal albern sein darf. Sie wickelt ihr Publikum um den Finger und singt es mit ihrer wunderbaren Stimme um Kopf und Kragen.“

… so war in ihrem Programmheft zu lesen. Wir durften uns also auf etwas gefasst machen.

Voller Saal in der Linde

Der Saal der Linde in Rohrbach, der seit Jahren erstmals wieder für einen kulturellen Event zur Verfügung stand, war restlos ausverkauft. Sogar auf Barhockern saßen die Besucher in der letzten Reihe. Ein Glas Wein oder Bier, ein paar Häppchen „Fingerfood“ gabs an der Theke im Saal,– und jede Menge erwartungsvoller Gesichter gabs für den Fotografen. Jetzt musste es bloß noch losgehen.

Dass wir Madeleine Sauveur für ein Punker-Konzert in Rohrbach gewinnen konnten, verdanken wir Gerhard Peters, der den Kontakt zu ihr hergestellt hatte. Nun stellte er sie dem Publikum als „Ex-Rohrbacherin“ vor und hieß sie  „quasi zuhause“  im Linden-Saal  willkommen.

Gerhard Peters bei der Begrüßung

Auf der Bühne dann erzählte sie uns, dass sie zunächst Klempnerin werden wollte – durchaus glaubhaft, angesichts ihres metallic-Kleides – dass aber das Leben anderes mit ihr vorgehabt habe. Und davon plauderte und sang sie nun mit viel Esprit und Hintersinn, mal unterhaltsam, mal bissig, aber immer frech und abwechslungsreich.

Madelein Sauveur stützt elegant sich auf den Mikrofonhalter

Ihre Texte schreibt sie seit Jahren selbst. Nicht das Dichten von Wasserrohren sei also ihr Beruf geworden, sondern das Dichten von Chansons, Liedern und Texten. Das sei auch gut gegen verstopfte Leitungen - im Hirn.

Für die musikalische Gestaltung sorgte ihr „Begleiter“ Clemens Maria Kitschen, der nicht nur die Musik zu all ihren Songs komponierte, sondern ihr auch sensibel und äußerst präsent vom Klavier aus den nötigen Rückhalt gab und gelegentlich sogar im Duett mit ihr sang.

Madeleine Sauver auf einem Hocker und Clemens Maria Kitschen am E-Piano

Clemens Maria Kitschen

Die Geschichten, mit denen sie uns konfrontierte, sind uns nur allzu alltäglich-allbekannt.

Da gab es die Anekdote aus dem Leben einer allein erziehenden Mutter, die sich nicht nur um ihre beiden Söhne, sondern auch noch um das Meerschweinchen kümmern muß, das schließlich von Nachbars Hund zerfetzt wird und als Biomüll entsorgt werden muß – vorgetragen in einem Medley bekannter Beethoven-Themen.

Da gab es die Geschichte mit dem Gesundheitspapst „Strunz“, der zwar empfiehlt, täglich 3 Liter Wasser zu trinken, um dem Altern vorzubeugen, der aber nichts davon sagt, dass, was oben rein geht, auch unten wieder raus muß. Wer sich da nicht vorsieht, dem kann schnell das Wasser bis zum Hals stehen.

Oder sie schilderte die Situation, wenn man nachts wach liegt, nicht einschlafen kann und auf den Schlaf wartet – und plötzlich merkt, der sitzt ja da neben dir auf der Bettkante und läßt dich nicht in Ruhe.

Da gab es das Lied über den Kampf um den unaufgeräumten Keller, der aber vergebens gekämpft wird, so lange die Unordnung in uns selbst besteht.

Und da gab es noch 13 weitere Geschichten und Situationen, die uns tempo- und geistreich präsentiert wurden, teils mit direktem Kontakt zum Publikum (schon zu Beginn warnte sie die in der ersten Reihe!), und immer  mit perfekt ausgetüftelter Regie.

Es ist die scharfe Beobachtungsgabe Madeleine Sauveurs, die uns als ihr Publikum in den Bann zog, ihr Blick aufs Detail, ihre schonungslose Entlarvung der Widersprüche, die wir so gerne übersehen. Ehe wir merkten, dass wir selbst gemeint sind, haben wir schon gelacht über ihre Geschichten – und lachten doch über uns selbst.

Ihre Bandbreite als „Chanteuse“ ist enorm. Mal ist sie naiv, mal frivol, mal femme fatal. Mal gibt sie sich verliebt, mal herrisch, und plötzlich meinen wir Edith Piaf, Gisela May oder gar Jacques Brel auf der Bühne zu hören.

Auch Clemens Maria Kitschen, ihr musikalischer Begleiter beherrscht viele Register, von der Anleihe bei Beethoven, Mozart oder Schubert über die Beatles bis hin zu Pop, Raggae, Rap und Cool-Jazz. Immer trifft er den rechten Ton zu ihren Texten.

Leider war das Klavier vor der Pause etwas zu laut ausgesteuert, aber das wurde dann korrigiert, so dass nach der Pause der Funke übergesprungen konnte und das Vergnügen und der Genuss perfekt waren.

Und als schließlich das letzte Stück zuende war und die Künstler von der Bühne gingen, da war sich das Publikum einig:

„Das konnte es noch nicht gewesen sein.“

Die Künstler verneigen sich

Und das Publikum hatte recht: denn nun erst folgte der Höhepunkt des Abends. Es gab 5 Zugaben, eine davon auf dem Soundtrack des Beatles-Hits „Hey Jude“: Wenn ein Vegetarier nach kargem Abendessen nicht schlafen kann und in die Küche geht und dort auf dem Herd den Topf entdeckt mit einer kräftigen Fleischbrühe – dann tut er sein Wohlgefallen kund in der Hymne „Hey Sud! du bist so gut!“. Und die musste Madeleine nicht mit Clemens zweistimmig singen, die sang nun 102-stimmig der ganze Saal mit.

Den Schlusspunkt setzte Madeleine Sauveur  mit der Anekdote, dass sie – nachdem das mit dem Klempner nicht klappte – hatte Operndiva werden wollen. Auf der „großen Opernbühne“ habe das aber auch nicht hingehauen, der Busen war nicht dick genug, da ging nicht genug Luft rein. Aber auf kleinen Bühnen wie hier, da gehe es.

Und zum Beweis, dass man als Operndiva alles singen kann und kein Mensch mehr auf Inhalt und Text achtet, holte sie das Biologiebuch ihres Sohnes hervor und sang daraus den Text über die Blut saugende Zecke „Ixodes ricinus“ in bester Monserrat-Caballé-Manier – mit der Original-Koloratur der Königin der Nacht aus Mozarts Zauberflöte – alles gipfelnd in dem Wort „Blut!   Bluuut!!  Bluuuuuuut!!!“ auf dem Hohen C.
Welch ein Schluss!!  Was für ein Abend!!!

Wer mehr über Madeleine Sauveur wissen möchte: www.madeleine-sauveur.de

Außerdem hat sie ein Buch geschrieben:

„Hermann hatte völlig vergessen, wie man Brot schreibt“, das gibt's für € 10.- im  Buchhandel. Überall. Auch in Rohrbach.

Eine CD mit ihren Chansons und Liedern soll es im Sommer geben.

Und der Linden-Saal sollte ruhig wieder regelmäßig für Rohrbachs Kultur geöffnet werden.

Madelein Sauveur singt: „Blut! Bluuut!! Bluuuuuuut!!!“