Zu zehnt und mit Orchester
Madeleine Sauveurs vierter Auftritt in Rohrbach
von Ludwig Schmidt-Herb | Fotos: Hans-Jürgen Fuchs
Dass Madeleine Sauveur selten allein kommt, ist ja nichts Neues – immerhin war jetzt sie schon zum 4. Mal in Rohrbach, und wie immer war ihr „Orchester”Clemens Maria Kitschen dabei, der ja selbst aus mindestens drei Musikern besteht. Nein, das konnte man erwarten. Aber diesmal hat sie sich selbst vervielfacht und gleich 10 Madeleines mitgebracht: da waren noch die freche, die melancholische, die selbstironische, die sarkastische, die augenzwinkernde, die prätentiöse, die divinöse, die temperamentvolle, die erotische und die chaotische Sauveur auf der Bühne. Und wenns sich ergab, noch die eine oder andere mehr. Die alle sorgten ganz schön für Wirbel und gute Laune.
Gerhard Peters, der sie auch diesmal wieder zu uns gelockt hatte, zeigte sich bei der Begrüßung erleichtert, daß Madeleine nun wirklich da war, denn in den letzten Wochen – so erzählte er – habe er sie nur als Stimme auf dem Anrufbeantworter bekommen, so dass er befürchtete, auch heute abend nur ein tuut-tuut-tuut von ihr zu bekommen. Aber zu seiner Rettung kam sie dann wirklich auf die Bühne, echt und live, zusammen mit ihrem „Orchester” Clemens Maria Kitschen und mit einer Musette zum Thema „Retter”– denn nichts anderes heiße ja Sauveur.
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Richtig los gings mit einer Publikums- nein, nicht Beschimpfung, sondern Behudelung. Die lag auch nahe – mußte Madeleine doch feststellen, dass praktisch kein „Jungspund”im Saale war, sondern lauter Leute in ihrem Alter: typische „Zweitblüte”, Leute, die seit 20 Jahren in der „Blüte ihres Lebens”stehen, wo sie es auch noch eine Weile aushalten wollen. Attraktiv? Na ja, „Es kuckt kein Schwein”wenn man da so daherkommt, „zwischen High Heels und Rollator”.
Dann erklärte sie die Sache mit den 10 Madeleines. Das seien 10 verschiedene Stimmen in ihrem Kopf, die von ihr verlangten, 10 verschiedene Persönlichkeiten zu sein. Das demonstrierte sie dann, indem sie drastisch vorfürte, was die alles empfinden, wenn einem (einem? nein allen zehn!) die Straßenbahn vor der Nase weggefahren ist. Und um es noch deutlicher zu machen, führte sie dann im Duett mit Clemens vor, dass „eine kleine Lüge auch eine Liebeserklärung sein” kann – je nachdem, von welcher Person sie kommt.
Im Kabarett sollte man sich nicht in die 1. Reihe setzen, denn da gibt es bestimmt eine Nummer, die das Publikum mit einbezieht. Das war dann die Geschichte mit dem runden Geburtstag, bei dem die Bude voll war von unangemeldeten Leuten, die als Geschenke Gutscheine mitbrachten für nutzloses Zeug, und die in der 1. Reihe durften dann sagen, was sie damit anfangen würden. Immerhin bekamen sie dafür reichlich Lob, besonders für den Mut, sich in die 1. Reihe zu setzen.
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"Ich mach jetzt alles neu!", hieß die nächste Nummer. Dabei gings um Loslassen-können und was passiert, wenn der eine an etwas festhält und der andere loslässt. Da kanns dann passieren, dass beide aus dem Gleichgewicht geraten. Und das ist der Moment, wo dann jeder die Chance hat für einen Neubeginn.
Kleine Verkleidungen verändern die Person – so wechselte Madeleine durch schnell von einem Garderobeständer in der Ecke gepflückte Accessoirs von einem zum nächsten ihrer 10 Ichs, z. B. in das augenzwinkernde: Clemens mit Schwimmflügeln und Madeleine mit einer Gummi-Schwimmente um den Bauch sinnierten darüber, was der Bademeister macht, wenn's in einem verregneten Sommer nur gießt. Es ist alles für was gut, denkt er, und beschließt das zu tun, was er das ganze Jahr sonst nicht tun kann, nämlich selbst nach Lust und Laune schwimmen. „Es ist gut, wenn jeder Mensch seinen Platz hat!”– Cha-Cha-Cha.
Wieder eine Verkleidung: ein entsprechender Hut, ein umgeworfenes Cape, und schon ist die prätentiöse Madeleine auf der Bühne, die arrogante Ziege aus der Oberschicht: „Ich bin tolerant und kulant / und ich seh über Dreck schon mal weg”– wenn es die Macken der Anderen betrifft. „Ich hab aber Grenzen gegen Renitenzen”– dann nämlich wenn's um die eigenen Fehler geht! Da versteht sie plötzlich keinen Spaß mehr.
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Und wieder eine Verwandlung – die chaotische Madeleine, schusselig und vergesslich, die sich ihre begriffliche Welt aus Eselsbrücken zusammenbaut, auf denen sie dann verzweifelt herumturnt, bis Clemens sie mit dem richtigen Stichwort erlöst. Das geht alles so schnell, dass man kaum mitdenken kann, und desto größer ist dann die Erleichterung, wenn die von allen schon vorausgewusste Lösung fällt und den steckengebliebenen Lacher endlich frei lässt.
Dann als Höhenpunkt vor der Pause erzählt sie, wie sie auf ihrer Tour auch durch die Alpenländer kamen und wie das dortige Publikum kein Kabarett, sondern nur ländliche Gassenhauer wollte. So hätte sie halt noch eine Perönlichkeit erfunden und sie seien als „Clemi + Leni aus St.Wöhr” aufgetreten. Und dann sangen sie ihr Erfolgs-Gztanzl: „A Loch is im Eimer / Im Eimer a Loch / Und waar da ka Loch drin / Hätt' mer Almkäs heut noch". Applaus!! PAUSE!
Der erste Auftritt nach der Pause gehört Clemens allein. Und nun zeigt er, daß er nicht nur ein hervorragender Begleiter ist, sondern ein auch begnadeter Pianist. Er spielt den „Madeleine-Rock", in dem er das Leid des begleitenden Entertainers schildert, der nie im Vordergrund stehen darf, bestenfalls mal als gleichwertiger Partner neben Madeleine. Und wenn Madeleine nicht alleine kommt, sondern gleich zu zehnt? „Du Madeleine / ihr seid zehn / wie soll das gehn?”, fragt er und verliert sich dann in einem Rock-&-Roll-Solo, dass man Angst haben muss um das Klavier!
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Dann kommt Madeleine wieder auf die Bühne, diesmal als Frau, die von ihrem männlichen Partner erwartet, daß der ganz für den Haushalt da ist – und für sie: „Wenn ich nach Hause komm / dann möcht ich / dass gesaugt ist …” Und das klappt, selbst wenn Clemens sich redlich bemüht, ihren Wünschen zu entsprechen, natürlich nicht immer. Und das ist für sie dann die Herausforderung, ihre böse Seite zu zeigen. Ihr Problem ist nur: wie kuckt man böse, wie lächelt man fies, ohne Falten zu kriegen? Denn Falten, das kann sie nicht brauchen bei ihrer dauernden Präsenz auf der Bühne!
Wieder Personenwechsel: schnell eine Sonnenbrille aufgesetzt und ein Cape übergezogen – schon steht da die divinöse Madeleine, die schwedische Diva, die uns eine Kostprobe zu geben bereit ist aus ihrem künstlerischen Oeuvre: „Ich singe jetzt die Arie der Königin der Nacht”– Nein! Wir haben es falsch verstanden: Es ist die Arie „Der König in der Nacht", und sie handelt vom Nachtleben des Königs Carl Gustav. „Was macht der König, wenn er mal auf Touren? / Er geht ins Ha-haus de-her Huren!”– und dann folgt die komplette Mozart-Arie mit all ihren melodischen Schleifen, Schnörkeln und Koloraturen, bis hinauf zu den schwindelnden Höhen „ha-ha-ha-ha-ha-ha-ha-ha-ha", dass dem Publikum angst und bange wird und manchem den Schweiß auf die Stirne treibt. Aber alles geht gut, Madeleine trifft auch die höchsten Töne sauber und klar, und Clemens ersetzt ein komplattes Opernorchester. Bravo!!! Super!!! Applaus!!!
Nun, Brille und Cape sind inzwischen abgelegt, da wirds gleich wieder etwas gewöhnlicher, alltäglicher. Clemens und Madeleine reden über Urlaub. Clemens will den einfachen Urlaub, Madeleine hat da aber andere Vorstellungen. Man erinnert sich, wie war das füher? War man sich da noch einig? „Die Zukunft schien endlos und wir hatte kein Ziel … Als der Mond auf der Bettdecke spazierenging…” Was war die schönste Nacht? Wann ist die nur gewesen? Die Erinnerungen gehen auseinander, was bleibt, ist die Hoffnung: Die schönste Nacht? Die kommt erst noch!
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Noch einmal kommt Madeleine zurück aufs Alter. Beim Blick ins Publikum stellt sie fest, dass das Thema wohl alle hier interessieren müsste (zustimmendes Lachen). Mehr oder weniger bald wenigstens! Wegestecken ins Altersheim? Nicht mit mir! „Ich will zwar Enkel, aber Oma will ich nicht sein (zustimmender Applaus)! In „Oma”steckt „amo”– ich liebe. Noch immer, und das soll auch so bleiben! Deshalb: Champagner! – Campagner auf das Glück der Welt, auf die Liebe, auf die Musik, Champagner auf alles, und zwar gut gekühlt!!!
Damit ist es Zeit für die Schlussnummer. Motto: Ich komme selten allein. Aber: „Lieber viele Seelen in der Brust, als keine Tassen im Schrank”. Und nun lässt sie noch einmal ihre 10 Madeleines Revue passieren, wobei sich jede einzeln und ganz persönlich verabschiedet.
Aber das Publikum will sie so nicht gehen lassen – deshalb bekommt es auch noch zwei Zugaben: eine Persiflage auf Bruni und Monsieur le President und dann eine fast perfekte, sehr jazzige „Take Fife”-Version, genial umgesetzt vom 1-Mann-Orchester-Clemens, der mit der linken Hand Klavier, mit der rechten Schlagzeug und mit den Füßen deb Bass spielt. Wen wunderts, dass danach der Applaus nicht enden will – so geben die beiden noch einen „Rausschmeißer” drauf: den „Traummann”-Kanon in F-Dur: „Der Traummann kam im Traumschiff an. Kaum warf er seinen Anker – da sank er”. Da das Publikum mitsingen musste, endete das Ganze im Chaos – und das war auch gut so, denn nun wussten alle, dass da nichts mehr geht. Außer nach Hause.
Liebe Madeleine, lieber Clemens – danke für diesen tollen Abend! Wir freuen uns schon auf Euren nächten Auftritt hier in Rohrbach!!
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