Unnachahmlich gut: rorcultur 2006
(2.10.2006)
von Raabe Hackbusch (Fotos: Hans-Jürgen Fuchs)
Warum in die Ferne schweifen, wenn das Gute liegt so nah? … stimmt zumindest für den Abend, als rorcultur 06 stattfand. Natürlich hatten VeranstalterInnen und Mitwirkende gehofft, dass der Saal im Roten Ochsen gut voll sein würde. Dass aber alle Karten im Vorverkauf nach zwei Tagen ratzfatz ausverkauft waren, übertraf alle Erwartungen und verstörte Kaufwillige. Wer Karten ergattert hatte, konnte sich glücklich schätzen.
Wie sehr Rohrbach am Puls der Zeit ist, bewies schon die Wahl des Conferenciers Max Nix , der, als hätte er den Spiegel „ Rettet dem Deutsch“ schon gelesen, gekonnt ungekonnt d-englisch durchs Programm leitete. Am Anfang wies er darauf hin, dass „ eine Hälfte mineral water im Glas nicht gut for the Stimmung“ sein könne und „all you can eat“ von Seiten der Zuschauer die Laune der Wirtsleute sicher heben würde. Stimmung und Laune wurden, waren und blieben den ganzen Abend ausgezeichnet.
Jazz and Groove, dargeboten vom „Kühlen Grund“ auch „ on the guitar“ und gleich 3 Instrumente, das fand der Conferencier, sei „a little bit Angabe“. Die Zuhörer fanden es einfach nur gut und spendeten reichlich „clap the hands“-Beifall. Der „Kühle Grund“ erinnerte streckenweise an supertrockene gute Barmusik und später machte er es schwer, zuzuhören und dabei ruhig sitzen zu bleiben.
Der rorchor dann ganz klassisch, 3 Frauen, 2 Männer und „Oh Täler weit, oh Höhen, oh schöner grüner Wald, du meiner Lust und Wehen andächt’ger Aufenthalt“. Wer hätte gedacht, dass ein so altmodisches Lied so anrührend sein kann.
Der Announcer musste dann überleiten vom D-englischen zur Mundart, zu einem „ vom Geburt an Kurpfälzer“- wer kann das in Rohrbach von sich schon behaupten? Mundart ist „die Kunst, aus freiem Herzen so zu reden, wie einem der Schnabel gewachsen ist“. Die Zuhörer lernten, dass die Kultur nicht aus Heidelberg sondern aus Rohrbach kommt. Eichendorff lief schon hierher und in den Roten Ochsen. Der geheime Paukboden für die schlagende Verbindung war in der Rose. Und wenn verbotene Aktionen der Studenten stattfanden. so gab es eine Meldekette von Heidelberg nach Rohrbach, um frühzeitig warnen zu können. Und so schaffte es Ludwig Schmidt-Herb wieder einmal, sein Zuhörer schlauer zu machen, während er sie amüsant unterhielt.
Und dann „She is a really Stimmungskanone, Clara Carbonara“, begleitet vom Conferencier, dessen Handhabung des Instruments ebenso perfekt unperfekt war wie sein D-englisch.“ Funiculi- der Kampf des Conferenciers um den Bass-Ton, während Clara Carbonaras Stimme den Saal füllte und nicht wenige Zuhörer zum Mitsummen und -singen brachte. Genau richtig, damit Mitwirkende, Conferencier und Gäste in der Pause daran arbeiten konnten, dass die Wirtsleute „all you can eat“ servieren konnten.
Und der „second part“ mit der „neighbourhood trash band“, dem Nachbarschaftskrach, Musik zum Mitsingen? Und dazu ein Ansagerquiz mir dem Versprechen „If you win, you won“.
Dass das nächste Ensemble, ein Bläsertrio, Zugluft-Ensemble“ hieß, war irgendwie nachvollziehbar. „Alles schweiget, Nachtigallen locken mit süßen Melodien Tränen ins Auge, Sehnsucht ins Herz“...hätte man gehört, wenn es denn gesungen worden wäre, das Lied. Statt dessen war von Schweigen keine Rede, und die süße Melodie war ganz schön laut. Das Publikum reagierte leicht verunsichert aber freundlich. Wir dürfen uns darauf freuen, das Ensemble bei rorcultur 07 wieder zu erleben …
Eichendorff dann wieder - wie könnte man in Rohrbach an ihm vorbei? Technical instruments und Romantik, das geht gut. Synthesizer, Klarinette, New Age und Powerpoint - die volle Palette brachten die Freiherren von Eichendorff. Drohende Wolken, versonnene Musik, Himmel ohne Ende, ein bisschen Wald, ein bisschen Brache. Und die ZuhörerInnen und ZuschauerInnen sahen, was sie als Rohrbacher BürgerInnen längst wussten: Rohrbach ist als Wohnort sozusagen dem Himmel ziemlich nahe- oder der Himmel Rohrbach. Ein bisschen Gershwin dann mit Miehlich + Schöpf, und zum Dank - sehr ökologisch gedacht, wenn man sie nun erst einmal gekauft hat - keine Zuchtrosen aus Südamerika, kein Blumetopf, nein, Plastikblumen, die der Conferencier mit großer Nonchalance immer wieder verschiedenen Mitwirkenden überreichen und die diese mit ebenso großer Freude annehmen konnten...
Schon waren wir unversehens“ almost at the end von dem evening“ angekommen und damit Zeit für „another Weltpremiere“ , nämlich der des „allerweltchors“ ... Glücklicherweise beschränkte sich der Chor entgegen der Ankündigung nicht auf das Absingen von Refrains, es war wirklich ein Chor, ein „choir“. Das Spektrum war breit, vom wunderbaren „ Homeless“ bis zum vergnüglichen, albernen , krachledernen „ Rüdüdürüdü,düdüdürü“- man muss es gehört haben, um es würdigen zu können. Und zum Dank wiederum die wunderbaren, haltbaren, ökologisch zweifelhaften, hochgeschätzten Plastiktulpen.
Wie kann man einen so vergnüglichen, abwechslungsreichen, unbefangenen, lustigen, versonnenen, romantischen, temperamentvollen Abend beschließen, an dem man nicht weiß, wer mehr Spaß hat: die Mitwirkenden oder die im Saal? Wenn alle immer noch „mehr“ wollen, wenn eine große Gesellschaft begeisterter und überzeugter RohrbacherInnen deutlich zu erkennen gibt, dass sie noch bleiben wird? Elegant gelöst: Alle Mitwirkenden auf die Bühne, damit sie noch einmal heftig mit Applaus überschüttet werden, und dann im Gänsemarsch quer durch den Saal ziehen, mit Guggemusik, und dann mitten durch die begeisterten ZuschauerInnen und hinaus. Schweigend? Natürlich nicht. Das Publikum soll man so entlassen, dass es am Ende zufrieden ist. Und nach so viel Musik und Liedern, was will das Publikum? Auch singen. Also „La-li-lu, nur der Mann im Mond schaut zu“ …. und wer kann, summt oder singt mit und alle sitzen am Ende glücklich, erschöpft vom Auftreten, Mitmachen oder innerlichen Mitgehen im Saal und lassen die Mitternacht näherkommen. Die Küche ist so nett, die KünstlerInnen trotz später Stunde mit Essen zu versorgen. Ein paar PunkerInnen sind so angeregt, dass sie im Saal alles singen, was ihnen einfällt. Und am Ende macht man wieder Musik am Klavier …
Rohrbach und die Punker eben – unnachahmlich gut.