Ruhe

Die Luft ist noch frisch, ein leichter Nebel hängt über der Stadt, es dämmert. Die Straße am Fluss ist menschenleer, die Stadt scheint noch zu schlafen. Es ist sechs Uhr morgens in Luang Prabang.

 

Müde und fröstelnd biegen wir in eine Seitenstraße, hin zum Zentrum, ein.

Auch über dieser Straße herrscht noch eine müde Stille, doch sieht man hier auf einmal Menschen. Einige sitzen am Straßenrand, ein paar unterhalten sich leise miteinander.

 

Eine Frau eilt auf uns zu, drückt uns, bevor wir es noch richtig begreifen können, Sticky rice Behälter in die Hände und stapelt auf unseren Armen diverse Körbe mit Keksen: "For the monks. For the monks. 100 000 Kip." (ca. 11 Euro) sagt sie gestikulierend.

Perplex schütteln wir den Kopf, geben ihr die Sachen zurück und flüchten uns an eine Straßenecke, wo wir uns auf einen Stein setzen.

 

Menschen haben Bastmatten am Straßenrand ausgelegt. Eine Frau hockt mit gekreuzten Beinen vor ihrem riesigen Sticky rice Korb.

Die wenigen anderen Touristen, die Fotos von ihr machen, scheint sie nicht zu realisieren. Es wirkt wie als habe sie auf ihrer Matte ihre eigene Aura der Ruhe erschaffen.

Starr schaut sie gerade aus, ihr schwarzes Haar fällt auf das weiße Tuch, dass quer von der rechten Schulter bis zur linken Hüfte gebunden ist.

 

Links neben uns entdecken wir unseren Herbergsvater, welcher ebenfalls ein weißes Tuch umgebunden hat und mit einem Korb Sticky rice in der Hand wartend am Straßenrand steht.

Hinter uns trinkt ein Laote seinen ersten morgendlichen Kaffee.

 

Plötzlich brechen die leisen Unterhaltungen der Einheimischen abrupt ab. Fast hektisch ziehen sie ihre Schuhe aus. Die Männer positionieren sich stehend am Straßenrand, während die Frauen sich auf ihren Bastmatten hin knien.

 

Hinter einem parkenden Auto taucht plötzlich der erste Mönch auf. Seine leuchtend orangene Kutte ist die erste eindrückliche Farbe an diesem sonst so grau-blauen Morgen.

Barfüßig läuft er voran, gefolgt von zwanzig, dreißig anderen Mönchen. Als er den ersten Einheimischen am Straßenrand erreicht, öffnet er den großen Silberkelch, welchen er umgehängt hat.

 

Jeder der Einheimischen in der Reihe gibt eine kleine Portion Sticky rice in den Kelch jedes Mönchs.

Die ganze Prozession läuft sehr schnell ab. Genauso lautlos wie die Mönche erschienen sind, verschwinden sie auch wieder. 

Die ehrfürchtige Stille löst sich, die Einheimischen unterhalten sich wieder, bis aus einer anderen Straße eine neue Gruppe von Mönchen kommt.

 

Diese Prozessionen ziehen in verschieden großen Gruppen an uns vorbei. Mönche, die wohl erst acht oder neun gewesen sein mögen, folgen Mönchen, die die sechzig bestimmt schon überschritten haben.

Ihre meist ausdruckslosen, kahlgeschorenen Gesichter zeigen die tägliche Routine dieses Ablaufes und auch den mit der Zeit immer mehr werdenden Touristen schenken sie kaum Beachtung.

Sie laufen einfach mit schnellen Schritten an den Einheimischen vorbei, nehmen danklos, fast gelangweilt ihre Gaben an und hüllen dabei die Straße in eine ehrfürchtige Ruhe.

 

Die Zeit schreitet voran, es wird langsam heller.

Ein letzter kleiner, humpelnder Mönch geht um die Straßenecke.

Die Frau, die die ganze Zeit auf ihrer Bastmatte saß, steht auf. Sie nimmt ihren Sticky rice Korb und ihre Matte und geht.

Auch die Touristen haben bemerkt, dass dies wohl das Ende der Prozession war, machen ein paar Fotos in die Straße hinein in der die Mönche verschwunden sind oder laufen ihnen teilweise hinterher.

 

Das Ritual hat ein Ende, der Tag hat begonnen.

Der Mann hinter uns kehrt zu seinem Platz zurück, um seinen Kaffee zu beenden.

Wir erheben uns, erstaunt und immer noch müde vom frühen Aufstehen und suchen uns ein Restaurant, um den Tag mit Nudelsuppe und einem Sandwich zu beginnen.

 

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