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Die Rohrbacher Kerwe 2011
(September 2011)
von Hans-Jürgen Fuchs
Die Rohrbacher Kerwe. Jedes Jahr am ersten Septemberwochenende. Begrüßung durch den Stadtteilvereinsvorsitzenden, die Weinkönigin und einen städtischen Vertreter. Kerweredd, Fassanstich und Kerwetreiben. Schließlich die Schlumpelverbrennung - und dann ist wieder Ruhe für ein Jahr.
The same procedure. Every year. Jedes Jahr? Nun, so war das die letzten Jahrzehnte gewesen. Mit Gustav Knauber und Klaus Weirich, die als Borscht die Kerwe zusammen hielten. Doch letztes Jahr hatten die beiden ihre Hüte an den Nagel gehängt und dem Stadtteilverein war es nicht gelungen, Nachfolger zu finden. Der Stadtteilvereinsvorsitzende Frauenfeld führte das darauf zurück, dass sich niemand so recht getraut habe, in die allzu großen Stiefel der Vorgänger zu treten. Also stieg er selbst in die Bütt, übernahm einen Teil der Tradition und Hans-Jürgen Bauer vom Spielmannsverein einen anderen. Und so wurde alles neu – und blieb doch irgendwie wie es war.
Also: der Stadtteilvereinsvorsitzende Frauenfeld begrüßte, die Weinkönigin und ein städtischer Vertreter grüßten. Und am Podium klebte wie immer Karl A. Lamers. Jahrelang konnte der Chronist das humorvoll nehmen. Aber ehrlich gesagt fällt das von Mal zu Mal schwerer. Man kann ja verstehen, dass Politiker gerne aufs Bild möchten. Aber so? Eine Menge Leute konnten den Stadtteilvereinsvorsitzende kaum sehen, weil seine zarte Gestalt hinter der eindrucksvollen Kulisse des Politikers verschwand. Andere VIPs schaffen es doch auch, vorne zu stehen und trotzdem den Hauptpersonen der Veranstaltung ihren Platz zu lassen. So wie Herr Lamers sich platziert ist es einfach penetrant – irgendwie auch ein bisschen ungehörig.
Aber lassen wir hier wenigstens den Hauptpersonen ihren Platz! Also: der Stadtteilvereinsvorsitzende Frauenfeld begrüßte, die Weinkönigin und ein städtischer Vertreter grüßten. Dann kam "Kerweborscht Nr. 1 Frauenfeld" und hielt die Redd. Abgespeckt zwar, aber bestens gereimt und bissig wie man es von ihm erwarten durfte.
Frauenfeld bedankte sich bei der Rektorin der Eichendorffschule, deren Namen, Stempfle-Stelzer, er unfallfrei ausgesprochen hatte, für ihre Unterstützung. Sie übernahm später den Fassanstich – ein weiteres Zeichen dafür, dass der Abzug der Amerikaner aus Heidelberg auch seine angenehmen Seiten hat.
Und dann legte Frauenfeld los, beklagte sich, seinem Manuskript folgend, dass von den Gemeinderäten "keener do" sei: ("aber wad´na, wenn d´r widda gewählt werre wollt – kumm isch a net!"). Was so, wie Frauenfeld selbst zugestand, gar nicht stimmt. Ja, sogar die Grünen waren diesmal da. Und gleich mit einer kleinen Delegation.
Weiter ging es mit den diversen Plagiateur/innen, denen Frauenfeld keine Träne nachweinte: "macht's halt selber oder lasst's glei bleiwe".
Ein besonders liebes Feindbild folgte: die diversen Beiräte und Runden Tische unserer diskussionsfreudigen Stadt: "zwatausend Leit sitze zamme und babble durchenanner" … "un am End mache die Politiker genau des, was sie vun Ofang o vorghabt hawe".
Frauenfeld forderte stattdessen Taten: Beim Sanierungsgebiet soll "der Käs" endlich losgehen, unsere Straßen sollten ebenfalls saniert werden: "Mir hawwe Stroße schlimmer wie en Bombedebbisch (Bombenteppich). Löscher so groß da kennt e Kind drin bade."
Aber es gab auch versöhnliche Töne. Der neue Kerweborscht kümmert sich um Integration, pflegt Nachbarschaftsbeziehungen, hat gar neulich "Fleisch in Kersche (Kirchheim) gekaaft. " Dabei – und das verschwieg er – hat Frauenfeld selbst einen Migrationshintergrund: Laut einem Ahnenforscher in der RNZ sind die Frauenfelds aus der Schweiz eingewandert und erst seit dem 30-jährigen Krieg hier ansässig.
Schließlich die kürzeste Strophe der Redd: "Die Bach bleibt zu." Mag sein. Aber wie kann man sich darüber freuen und gleich darauf das Rohrbacher Heimatlied anstimmen, in dem der Rohrbach munter durch jede Zeile plätschert?
The same procedure as every year – auch beim Kälblestanz. Die Diskriminierung der Minderheit der punker setzte sich fort. Frauenfeld: "Möge der Beste gewinnen, nur nicht der punker." Wir aberlassen uns nicht unterkriegen: Der moralische Fresskorb gehört uns!
„Kerwborscht Nr. 2”, Hans-Jürgen Bauer, trug schließlich die Kerwe zu Grabeund leitete gekonnt die Schlumpelverbrennung ein …
CU next year!