60° Fahrenheit · Die Kerwe 2008

Ein Bericht mit Kommentaren von Hans-Jürgen Fuchs

Eigentlich ist immer gutes Wetter, wenn in Rohrbach Kerwe ist – zumindest gehört sich das so. Und eigentlich ist der Samstagabend der eigentliche Kerweabend. An dem eine Band spielt und die Kerwe rockt. Diesmal aber spielte der Wettergott nicht mit und auch die Band „Fahrenheit” konnte die Leute zunächst nicht aus den Zelten in den 60° F kühlen Regen locken. Schade. Sie hätte es verdient gehabt, die Band. Eine „high quality coverband” hatten die Kerweplakate versprochen – und Fahrenheit hielt das Versprechen.

Regenschirme

Der Himmel weint ...

Männer des Spielmannsvereins

Men in red lachen…

Begonnen hatte die Kerwe wie immer: Mit der Begrüßung durch den Vorsitzenden des Stadtteilvereins, Bernd Frauenfeld, und mit Gustav Knaubers Kerweredd. Frauenfeld hatte viel politische Prominenz zu vermelden. Nahezu ein Drittel des Heidelberger Gemeinderats war vertreten, CDU,SPD, FDP und Freie Wähler – zum Teil gleich mit mehreren Gemeinderäten, Pfisterer vom Landtag und Binding und Lamers (wie immer schier auf des Kerweborschts Schoß) aus dem Bundestag. Man merkte, dass Wahlen dräuen.

Määner der Feuerwehr

... während die Feuerwehr alles im Auge behält ...

Mann mit Weingläsern

... gehen andere bereits zum gemütlichen Teil über ...

Die Grußworte der Stadt überbrachte der neue Erste Bürgermeister Bernd Stadel als Noch-nicht-Mitglied des Stadtteilvereins (wie ich Bernd Frauenfeld kenne, ist der EB inzwischen Mitglied geworden ...). Heidelbergs Weinkönigin Larissa Winter steuerte wie immer Wein-Kerwe-Reime bei und hielt an Kerweborscht Knaubers Rechten dem Lamerschen Andrang stand, so dass den Fotografen wenigstens das eine oder andere Bild ohne den MdB gelingen konnte. Außerdem gewährte sie dem Kerwereddenden Einblicke, die diesem sogar dem Regen etwas abgewinnen lassen sollten. Doch dazu später.

Bernd Stadel

Der EB muss sich noch an den Krach in Rohrbach gewöhnen ...

Die Redd also …

Sie beginnt immer gleich, mit der Beschreibung der Schönheit Rohrbachs und seiner (einstigen) Größe: „Vun de Lamer Grenz drauß bis nei in d Markscheid un vum Bierhelder Houf un de Gaberjer Grenz drowwe bis niwwer zum Helleschta”. Das heißt: Ursprünglich inklusive Boxberg, Emmertsgrund und der halben Südstadt. Nur damit die „Zugezorrene” das auch mal wissen.

Klaus Weirich verkauft die Redd

Klaus Weirich verkauft die Redd

Lob …

Und dann geht es weiter mit dem Jahresrückblick aus Rohrbacher Sicht: Von Rohrbach über ganz Heidelberg hinaus in die weite Welt. Einiges Positives kann Knauber dem vergangenen Rohrbach-Jahr abgewinnen: Der 70. Geburtstag des Borscht-Kollegen Weirich ist da zu nennen, der Weggang des „Leischefledderers Gunther von Hagens”, den neuen Weinkeller im Museum, die Eichendorffveranstaltung von Stadtteilverein und punker und vieles mehr.

und Tadel …

Und natürlich bekam auch im Rohrbacher Teil manch einer sein Fett weg: Die Melanchthongemeinde, die das Neujahr schon am 30. Dezember eingeläutet hatte, das zum 0,2-Liter verkommene „Vertl”-Wein, der Versuch, Teile des Emmertsgrunds an Dreges zu verkaufen (wir erinnern uns: auch der Emmertsgrund ist irgendwie eigentlich immer noch Rohrbacher Gemarkung …), die Bebauung des Fuchs-geländes und das Quartier am Turm – zwei Lieblingsfeinde des Kerweredners und vieles mehr.

Das Quartier …

Mit Plattenbauten verglich Knauber die „Wuhnbleck” im Quartier am Turm und die Auszeichnung als kinderfreundlicher Ort machte ihn „verrickt”. Knauber mahnte die Realisierung der „Kleinen Pusteblume” an, deren Architektur ihm allerdings nicht behagte: „Holzverschläg im alte Gemeier! Die Bauherre hewwe scheins was am Seier!” Und tatsächlich, geht man durch die Straßen des Quartiers, fragt man sich schon, ob die alten Mauern der Waggonfabrik nicht hätten geschickter in die aktuelle Architektur eingebaut werden können. Allzu oft steht da einfach eine Mauer und dahinter ist der Neubau …

Gustav Knauber

Blick zurück

Die Bach

Und dann „die Bach”. Die nahm einigen Platz in Knaubers Rede ein.

„Schun dreijeverrzisch (43) Johr isch´s her!
Seit domols dut sich Rohrbach schwer.
Es fehlt „die Bach” im Ort.
Eigedohlt isch sie, fer immer fort.
Unser „Rohrbach” lefft jetz im Rohr.
Souwas kummt blouß in Rohrbach vor …”

Knauber begrüßte die Überlegungen im Arbeitskreis für die Rohrbacher Ortskernsanierung, den Bach zumindest teilweise wieder freizulegen, verwies aber zugleich auf existierende Widerstände.

Rohrbach Markt: Vun jeher nix?

Ein anderes Lieblingsthema Knaubers ist der Rohrbach Markt. Nun hat der Umbau begonnen und Knauber beschäftigte sich in erster Linie mit den baustellen-typischen Friktionen beim Bau. Seine bereits bekannte Skepsis, die in der Aussage gipfelte „Mer kriggt den Marktplatz net in Reih! Er war nix, isch nix un werd aa nix sei!” packte er diesmal in die Worte:

„Hoffentlich werd´s was mit derre Wix.
De Rohrbach Markt war vun jeher nix.”

„Ami-Abzug” und die Bahnstadt

In der gehaltenen Rede fehlte der entsprechende Abschnitt, was wohl der Anwesenheit des amerikanischen Obermilitärs geschuldet war, nur im käuflich zu erwerbenden Manuskript fand sich Knaubers Freude über einen möglichen Abzug der Amerikaner aus Rohrbach. Der Kerweborscht wurde deutlich:

„Die Entscheidung mescht uns glicklisch …
dass des Ghetto werd geraamt,
dovu hemmer lang gedraamt.
Wann d Amis uns de Ricke kehre,
kann uns des iwwerhaupt net steere …”

Für Knauber steht fest: Gehen die Amerikaner, gibt es keinen Grund mehr, die Bahnstadt zu bauen:

„Wann de Ami wirklisch ball geht,
wär Heidelberg doch dumm un bleed,
deed´s die Bahnstadt dann noch baue
un sei „Weschtfront” starf versaue.”

Ungeliebt …

Die Stadt am Fluss ist für Knauber „Stuss”. Genauso wie die (Re)konstruktion des Hortus Palatinus, die Nachverdichtung, Helmut Mehdorn, die Energiepreissteigerungen, George Dabblju und das Hopp-Stadion (denn „Hoffe in Sinse geht irjendwann maol in die Binse”) …

Ein tiefer Blick ins Dekolletee?

Gegen Ende der Rede setzte ein leichter Regen ein, den Knauber damit kommentierte, dass er bei Regen gerne Wasser in seinem Hut sammle, um dann etwas stärker dekolletierten Damen in in den Ausschnitt zu gucken und dessen Inhalt damit zu wässern. Es bleibt Knaubers Geheimnis, wessen Dekolletee ihm hier durch den Kopf spukte ...

Die Weinkönigin

Vergallopiert

… hat sich Gustav Knauber mit seiner Politikerschelte. Alle paar Monate würden sich diese die Diäten erhöhen.

„Die Volksvertreter, des finn ich ganz doll,
krieje aafach de Rache net voll.
Wen wunnert´s, dass beim Diäteseje
kaan Abgeordneter stimmt degeje.
Jagt sie all fort, die wu uuzufriede,
dann kummt unser Land zu neier Bliide”

Das ist populär, das gefiel vielen im Zuhörerkreis. Ist es deshalb auch richtig? Oder irren nicht manchmal auch Milliarden Fliegen? Und bügelt so eine Argumentation nicht gleich auch die mit platt, die viel ehrenamtliche Arbeit „fer umme” leisten und hier gemeinsam mit den Karrierepolitikern unters Rad kommen?

Nix gegen schöne böse Kritik – aber so nicht…

Jenseits der Redd´

… gab es den üblichen Fassanstich, vorgenommen durch den amerikanischen Obermilitär, der frei (ironisch?) bekannte „I don´t like beer!”.

Und dann gab es natürlich noch den Kälblestanz, bei dem für den punker wieder zwei Paare antraten, die wie jedes Jahr, allen Frauenfeldschen Seitenhieben zum Trotz, immer zügigst die ihnen recht selten anvertrauten Kälblestanzstäbe weitergaben und, wen wundert´s, wieder leer ausgingen bei der Preisverleihung, während Moderator Weirich in telepathischem Kontakt zu den im Hintergrund wartenden Schützen zu stehen schien um die Schüsse just in einem Moment auszulösen, da der frühere Stadtteilvereinsvorsitzende Knauber – ein anderer, nicht der Kerweborscht, aber verwandt sind sie schon – den Siegerstock in seinen Händen hielt. Womit der Chronist natürlich keinesfalls Andeutungen machen will. Schon gar nicht irgendwelche.

Fassanstich

I don´t like beer

Beim Kälblestanz

... wir haben keine Chance ...

Beim Kälblestanz

... aber wir nutzen sie!

Die Sieger des Kälblestanz

Die Sieger ...

Martina Baumann und Anne Kloos

Stimmungpur: Der Nabakra ...

Johannes Trott, Dörte Pommerien und Harry Rapp

Cornelia Nigl und Ursula Röper

Uwe Loda

Und noch vieles mehr gäbe es zu berichten von der Kerwe 2008 in Rohrbach. Z.B. vom Ritus der Schlumpelverbrennung, zu dem allerdings bereits an anderer Stelle alles gesagt wurde. Und da zudem die Sätze aber immer länger werden, lassen wir es damit bewenden …

Tanzende Frauen