11 Thesen zur Entwicklung des Stadtteils

(4.5.2006)

von Hans-Jürgen Fuchs

1. Rohrbach ist ein Weinort

In den letzten Jahrzehnten haben sich der Heidelberger Stadt­teil Rohrbach, seine Gemarkung und seine Bevölkerung stark verändert. Die Bebauung neuer Gebiete (Hasenleiser, Boxberg, Emmertsgrund, das Gewann See und Furukawa/Eichendorffforum) führte dazu, dass inzwischen die Mehrzahl der Einwohner nicht in Rohrbach geboren sind. Dies blieb nicht ohne Auswirkungen auf die Struktur des Stadtteils.
Im Leben Rohrbachs sind Alt-Rohrbacher und Neubürger aufeinander zu gegangen. Sie begreifen inzwischen die Weiterentwicklung des Stadtteils als gemeinsame Sache. Neu oder wieder definiert werden muss nun die Identität des Stadtteils: Was macht Rohrbach unterscheidbar von anderen Heidelberger Stadtteilen? Was ist seine Besonderheit?
Schon in der ersten geschichtlichen Erwähnung Rohrbachs, am 31. Dezember 766 im Lorscher Codex, wird Rohrbach als Weinort beschrieben. Weinfest, Weinkönigin und Weinrestaurants, aber auch die Auseinandersetzungen um den geplanten Bau einer Erdgasleitung auf Rohrbacher Gemarkung haben gezeigt, dass der Gedanke des Weinortes Rohrbach lebendig ist.
Neben  der Bejahung zeitgemäßen Wohnens und Arbeitens könnte das Bild von Rohrbach als Weinort Bindeklammer einer Stadtteil-Identität sein.

2. Rohrbach ist ein Kulturort

Spricht man von Rohrbacher Kultur, verbindet man häufig damit Joseph von Eichendorff. Viele kulturelle Aktivitäten der letzten Jahre beziehen sich auf den Dichter, der einen Teil seiner Jugend hier verbrachte und dem Kühlen Grund ein lyrisches Denkmal setzte. Rohrbacher Kultur aber auf Eichendorff zu beschränken würde Stillstand bedeuten. Aber die „neue“ Rohrbacher Kultur hat keinen Ort. Will heißen: Rohrbach verfügt über keinen frei zugänglichen Raum z.B. für Ausstellungen oder für mittlere und größere Veranstaltungen. Neben dem traditionellen Saal des Ochsen gibt es nur die große und sachliche Turnhalle.
Literatur, Kunst und Weinkultur bilden einen weiteren Schwerpunkt der spezifischen Rohrbacher Stadtteilkultur. Sie benötigen einen Ort, an den sie leben können. Nicht nur in Zeiten leerer Kassen müssen vorhandene Ressourcen besser genutzt werden. So sollte man z.B. überlegen, warum städtische Räume, wie z.B. die Aula der Eichendorffschule, die meiste Zeit des Tages ungenutzt bleiben müssen, während gleichzeitig kulturelle Initiativen ohne Heimat sind. Wären dort nicht Veranstaltungen denkbar, Joga-Kurse der Volkshochschule und mehr, wenn die räumlichen Vorausetzungen dafür geschaffen würden?

3. Die Außenentwicklung ist abgeschlossen

Nicht nur weite Teile der ursprünglichen Rohrbacher Gemarkung wurden zu Wohngebieten,  es wurden auch Straßen ausgebaut und neu gebaut (B535, Nordumgehung Leimen). Das ursprünglich große landwirtschaftlich genutzte Umfeld Rohrbachs ist extrem zersiedelt, zerschnitten von Verkehrswegen. Eine weitere Bebauung würde den Wohnwert des Stadtteils entscheidend beeinträchtigen, die Naherholungsgebiete endgültig zerstören und die Reste von Obst-, Weinbau und Ackerwirtschaft schwer in Mitleidenschaft ziehen.
Die (quantitative) Außenentwicklung des Stadtteils ist abgeschlossen, eine weitere Zersiedlung, ein weiterer Flächenverbrauch muss unbedingt verhindert werden.

4. Rohrbach ist ein grüner Stadtteil

Weinberge, Stadtwald, Felder: Rohrbach ist immer noch ein grüner Stadtteil. Auch die Quartiere des Stadtteils sind voller Grün: Der Hasenleiser, das Gewann See. Die Nähe zur Natur macht Rohrbach besonders lebens- und liebeswert. Die neuen Wohngebiete auf dem Gelände der ehemaligen Fuchsschen Waggonfabrik sollen städtisches Wohnen realisieren, aber auch sie müssen grüne Quartiere werden.
Es darf nicht noch mehr Grünfläche „umgewidmet“ werden: Bewohner und Stadtteil haben ein Recht auf eine qualitativ hochwertige Entwicklung.

5. Nachholbedarf im Inneren

In den „fetten Jahren” wurden viele Heidelberger Stadtteile hergerichtet: Die Altstadt und Neuenheim, die Weststadt und Handschuhsheim. Auch in den letzten Jahren wurden große Anstrengungen unternommen, Stadtteilmittelpunkte lebenswert zu machen, in Wieblingen und Ziegelhausen, in Kirchheim zur Zeit im Rahmen des Straßenbahnbaus. Rohrbach jedoch wurde steifmütterlich behandelt. Außer der Gestaltung am Rathaus, der eher flachen Aufpflasterung in der Rathausstraße und der Verschlimmbesserung der Haltestelle Rohrbach Markt ist wenig geschehen. Alle Wünsche aus dem Stadtteil wurden stets mit Hinweis auf anstehende größere Konzepte vertröstet.
Rohrbach hat enormen Nachholbedarf. Wir haben Jahrzehnte lang geduldig gewartet. Nun ist es an der Zeit, die „übergreifenden Konzepte” zu realisieren. Es ist Zeit für eine qualitative Entwicklung im Stadtteil!

6. Keine Grenze zwischen Rohrbach West und Rohrbach Ost

Die Karlsruher Straße zerschneidet Rohrbach in zwei Teile. Hier fließt so viel Verkehr wie sonst nur noch in der Mittermaierstraße. Die B3 stellt eine Barriere dar, nicht nur für Kinder und Ältere. Sie bildet aber auch eine Grenze in den Köpfen. Da es sicher nicht gelingt, den Verkehr kurzfristig so reduzieren, dass die Trennwirkung entscheidend abgeschwächt wird, müssen Brücken über den Verkehrsstrom geschlagen werden.
Rohrbach West und – Ost müssen besser verbunden werden. An der Frei­bur­ger Straße, der Ortenauer Straße, an den Kreuzungen Am Rohrbach und Sickingen Straße mit der Karlsruher Straße und vor allem am Rohrbach Markt müssen die Übergänge für Fußgänger und Radfahrer so gestaltet werden, dass ein gefahrloses Überqueren für Menschen jeden Alters möglich ist.

7. Schaffung eines Stadtteilmittelpunkts

Für die Menschen und die Identität des Stadtteils ist die (Wieder-) Herstellung eines gemeinsamen Stadtteilmittelpunkts unabdingbar. Dieser kann nur am Rohrbach Markt liegen. Es ist notwendig dieses Zentrum zu beleben, die Geschäftswelt vor Ort zu unterstützen, die Lebensqualität am Platz drastisch zu erhöhen und seine Anbindung an Rohrbach West baulich zu verbessern.
Die Wiederherstellung eines Stadtteilmittelpunkts am Rohrbach Markt ist für die qualitative Entwicklung Rohrbachs unabdingbar. Ohne einen konse­quen­ten Umbau und die Herausnahme des Durchgangsverkehrs bleibt jede Änderung kosmetisch und der Platz wird seine Funktion nicht wieder gewinnen. Die im Stadtteil entwickelten und von Bezirksbeirat und Gemeinderat getragenen Pläne sind sofort zu realisieren.

8. Beruhigung ist Belebung

Das Verkehrskonzept für Rohrbach sieht eine Verkehrsberuhigung im alten Teil Rohrbachs vor. Dadurch würde die undurchschaubare Mischung aus Tempo 50-, Tempo 30-, Tempo 20- und Schritttempo-Zonen beendet. Die Beruhigung würde zu einer Belebung führen. Die Verlegung des Marktes an das Rathaus zieht samstags viele Menschen ins alte Zentrum. Der KFZ-Verkehr muss zwar langsamer fahren, trotzdem herrscht mehr „Bewegung” und mehr Leben – auch in den Geschäften.
Auch andere Bereiche Rohrbachs benötigen klare Regelungen und deutlich Signale dafür, dass es sich um Wohngebiete handelt: Furukawa- und Eichen­dorffgelände und sein Umfeld, Freiburger Straße / Kolbenzeil und die Sickingenstraße.
Das Verkehrskonzept Rohrbach darf sich nicht auf den alten Kern und den Rohrbach Markt beschränken. Auch andere Gebiete des Stadtteils leiden unter dem Verkehr und würden von klaren Regelungen profitieren. Es gilt, dafür Konzepte zu erarbeiten, gemeinsam mit den Betroffenen.

9. ÖPNV-Anbindung auch der Rohrbacher „Peripherie”

Rohrbach hat zwei zentrale Knotenpunkte des öffentlichen Nahverkehrs: Rohrbach Markt und die S-Bahn-Haltestelle Kirchheim/Rohrbach. Diese Punkte müssen in ein öffentliches Nahverkehrsnetz besser einbezogen werden. Auch „abgelegenere” Bereiche wie der Kühle Grund oder die Neubaugebiete auf dem Gebiet der ehe­ma­li­gen Fuchsschen Fabrik müssen eingebunden werden. Der aktuelle Stand der Planungen für eine Neuordnung des ÖPNV nach Inbetriebnahme der Straßenbahn nach Kirchheim sieht zwar einen Ortsbus Rohrbach vor, der S-Bahn-Haltestelle und Rohrbach Markt miteinander verbindet, gleichzeit soll aber die Buslinie 11 nun nicht mehr über Rohrbach Markt fahren sondern von Kirchheim kommen direkt Richtung Rohrbach-Süd verlaufen. Die Verbindung des Hasenleiser ins Rohrbacher Zentrum würde dadurch noch schlechter.
Die Neubaugebiete im Westen und der Hasenleiser müssen besser an den ÖPNV angebunden werden. Der Rohrbacher Osten sollte durch einen kleinen Bergbus erschlossen werden, am besten durch eine Ringverbindung Boxberg – Rathaus Rohrbach – Rohrbach Markt –
S-Bahn Kirchheim/Rohrbach und über den Hasenleiser zurück.

10. Für Alt und Jung

Rohrbach ist einer der größten Heidelberger Stadtteile. Es gibt hier ein Jugend- und ein Seniorenzentrum. Beide liegen im Hasenleiser im Westen. Auch betreutes Wohnen für Ältere wird bislang ausschließlich im Westen Rohrbachs angeboten. Vor allem für Ältere ist aber der Weg vom Ostteil Rohrbach in den Hasenleiser zu weit. Auch die Angebote für Jugendliche gibt es nur im Rohrbacher Westen ein Angebot. Jugendliche im Osten verbringen ihre Freizeit häufig auf Spielplätzen oder im Rohrbacher Feld – sehr zum Missfallen vieler Anwohner und Gartenbesitzer.
Die Angebote für Ältere im Rohrbacher Westen müssen erhalten bleiben und durch Angebote für Ältere und Jugendliche im Osten ergänzt werden. Der Weggang der Realschule aus der Eichendorffschule würde Möglichkeiten für ein Angebot für Jugendliche schaffen – z.B. im freiwerdenden Container.

11. Die Stadtteilkulturen leben

Rohrbach hat die bunteste Stadtteilkultur Heidelbergs. Dies verdankt es zum einen der lebendigen Tradition der Vereine der „Alteingesessenen”, zum anderen der Initiativen der Neubürger. Jede Gruppe entwickelt Ideen für eine Weiterentwicklung der Stadtteilkulturen. Traditionelle Kulturen und neue Impulse ergänzen sich bestens. Im „punker“ und seinem Umfeld gibt seit Jahren Ansätze und Überlegungen für regelmäßige größere Veranstaltungen (Zeltrevue, rorcultur). Gleichzeitig denkt man zur Zeit im Stadtteilverein überein Wiederaufleben des „Rohrbacher Heimattags” nach.
Es wäre enorm spannend, die verschiedenen Rohrbacher Kulturen in einen großen Event zusammen zu führen. Berührungsängste gibt es nur noch wenige. Eine Zusammenarbeit bei einem „rorculturheimattag“ könnte einen weiteren Schub für die Stadtteilentwicklung geben. Vielleicht wäre 2007 ein geeignetes Jahr – der 150. Todestag von Eichendorff ...