Der Rohrbacher Bäckertest

(September 2006)

von Raabe Hackbusch | Fotos: Hans-Jürgen Fuchs und Helen Sander

An Bäckereien herrscht in Rohrbach kein Mangel: Allein 8 (!) wurden am letzten Wochenende getestet. Die Testpersonen waren Punker. Alle Altersklassen waren vertreten: Kinder, Teenager, 40+ und 60- … Die Testpersonen waren Freiwillige, und es zeigte sich später: Das war auch gut so. Nicht immer hätten andere als Freiwillig durchgehalten, denn es gab echte Herausforderungen an Zähne, Geschmacksnerven und Messerschneiden. (Wir unterstellen, dass die Ursache dem zeitlichen Abstand zwischen Kauf am Morgen und Verzehr am Nachmittag sowie der ungewöhnlich hohen Luftfeuchtigkeit zuzuschreiben war).

Die Bewertungsliste

Selbstverständlich waren die Teller nummeriert und anonym: 1 Laugenbrötchen, ein weißes, ein Vollkornbrötchen. Teilchen ( süße Stückchen, Mürbs) erst im zweiten Durchgang. An der Bezeichnung für die Waren im zweiten Durchgang ist leicht zu erkennen: Es gab ein Handicap. Nicht alle Testpersonen konnten auf lebenslange Erfahrung z.B. mit Laugenbrötchen zurückgreifen …

Brötchen auf nummerierten Tellern

Ein zweites genussvolles Handicap lag in der Möglichkeit, beliebige Marmeladen aufzuschmieren … Wir haben alles getan, damit die Ernsthaftigkeit beim Test nicht in Verbissenheit umschlagen konnte – abgesehen von Verbissenheit in die Materie. Für absolute Subjektivität war also gesorgt.

Die Kriterien waren: Geschmack, Aussehen und Konsistenz. Wir machten uns an die Arbeit.

Achim Stegemann

Hans-Jürge Fuchs und Michel Frauenfeld

Auf einem Teller lag ein weißes Brötchen, so arm, so flach, man konnte Mitleid bekommen. Auf einem anderen entpuppte sich das Vollkornbrötchen als leicht nachgedunkeltes weißes Brötchen von trockener, amerikanisch anmutender Konsistenz. Ein Laugenbrötchen hatte den Ofen etwas lange von innen gesehen, dafür plusterte sich auf wieder einem anderen Teller ein weißes Brötchen zu unglaublicher Höhe und Breite auf. Stückchenweise arbeiteten wir uns durch Kruste (so als solche zu werten) und Krume. Schon die Menge allein war ein echte Herausforderung, der wir uns nach alter zäher Punkerart entschlossen stellten. Jedes gelungene Teil war ein willkommener Ausgleich für sensorisch Erlittenes.

Raabe Hackbusch und Ursula Röper

Der Testtisch mit Testern

Und nach der Zwischenauswertung des ersten Teils weiter anonym: Die Plätzchen, die Teilchen, die süßen Stückchen, das Mürbs. Das muss man erlebt haben, um es zu glauben. Unterstellen wir einmal, dass Deutsche an sich Riesenteilchen schätzen und  Bäckereien alles tun, um die Kundschaft zufrieden zu stellen. Aber muss das auf Kosten des Geschmacks gehen? Muss sich die Füllung vom Rand lösen (Ich kann sie verstehen, mit dem Rand wollte ich auch nicht innig verbunden sein). Ist es die Aufgabe der Rosinen zu melden, dass die Schneckennudel sich nicht aus dem Backofen verabschieden wollte? Muss die andere Schneckennudel so dick sein, dass nur Menschen mit XXL- Mund mühelos reinbeißen können?  Man denkt an dieser Stelle mit Wehmut an die kleinen köstlichen Teilchen in Frankreich. Niemals fände man da so gigantomane Kreationen.

Ursula Röper und Eberhard Dziobek

Fassen wir zusammen:

  • Der Test wurde von willkürlich zusammengekommenen Punkern durchgeführt.

  • Double-blind und völlig subjektiv: Eine neue reizvolle neue Art, Tests durchzuführen.

  • Die völlig unterschiedlichen frühkindlichen Erfahrungen der Testpersonen schlugen sich immer wieder nieder. (Spätere Begegnungen mit dem Laugenweck als solchem führen nicht unbedingt zu größerer Treffsicherheit bei der Beurteilung)

  • Wenn man so viel essen muss, darf man nichts verbissen sehen.

Lara Schenk und Helen Sander

Wir stellen abschließend fest: In Rohrbach ist es durchaus möglich, sich mit guten Zutaten an den Frühstückstisch zu setzen. Allerdings gibt es ein Handicap: Wir empfehlen z.B. für den Einkauf des weißen Brötchens einen weiteren Weg auf sich zu nehmen, sodann das Vollkornbrötchen dort zu erstehen, wo Vollkorn Programm ist oder sich zum Kern (des Ortes)  zu begeben, um zur Sache zu kommen, danach z.B. bei Mürbs nicht vor einem Schritt zur Seite zurückzuscheuen und dann … Oder andersherum. Familien mit mehreren Kindern im einkaufsfähigen Alter sowie Wohngemeinschaften sind klar im Vorteil, weil sie ausschwärmen können.

Betrachtet man bei der Beurteilung das jeweilige Mittel aller getesteten Backwaren, so sieht man: 6 von 8 liegen ziemlich nahe beisammen und erzielen durchaus ordentliche Ergebnisse. Und könnte man die Verkehrsbelastung im Ortskern durch Bäckereierzeugnisse ausgleichen, so könnten die Bewohner eben dieses Ortskerns ebenso gut schlafen wie essen.