TTIP CETA TISA :
Eine Einführung in die Welt der „Freihandelsabkommen“
Am 24.04.2015 im alten Rathaus, Heidelberg Rohrbach
Ein Bericht von Anne Erpelding
Am Ende war der Saal doch noch gut besetzt, trotz des wunderschönen Frühlingsabends. Der Punker hatte eingeladen zu dieser Veranstaltung und einen kompetenten Referenten gewinnen können: Anton Kobel, Dipl. Volkswirt und Gewerkschaftssekretär a.D. Es ging an diesem Abend darum, Klarheit über die Begriffe TTIP – CETA – TISA und Details über die Zusammenhänge und die Auswirkungen zu bekommen, sollten diese Abkommen tatsächlich zustande kommen.
Es war die 18. Veranstaltung zu diesem Thema in Heidelberg seit September 2014, was verdeutlicht, dass das Thema die Menschen bewegt und trotz Geheimhaltung seitens der EU Kommission bei der Bevölkerung angekommen ist.
Anton Kobel erläuterte zuerst die Begriffe:
TTIP - Transatlantic Trade and Investment Partnership ist das geplante Freihandelsabkommen mit den USA, die Verhandlungen laufen seit Juli 2013.
TISA – Trade in Services Agreement - ist ein Abkommen über Dienstleistungen. Hier sind vor allem Kommunen betroffen; es geht um die mögliche Privatisierung der öffentlichen Wasser-, Energie-, Gesundheits-, Sozialversorgung und der Bildung.
CETA – Comprehensive Economic and Trade Agreement - ist das weitgehend ausverhandelte Freihandelsabkommen zwischen der EU und Kanada. Es wird von den Befürwortern wie den Gegnern als ein Testfall für TTIP angesehen.
Von allen Abkommen ist TTIP das umstrittenste was zum einen daran liegt, dass die Verhandlungen strengster Geheimhaltung unterliegen, zum anderen daran, dass die Details, die trotzdem bekannt wurden, gehörig Sprengstoff in sich bergen. Da sind zum einen die Versprechen von mehr Wohlstand, mehr Arbeitsplätzen und höheren Einkommen, die sich bereits jetzt als haltlos erweisen. Die Erfahrungen, die mittlerweile mit dem Freihandelsabkommen der USA und Mexiko (NAFTA) vorliegen, haben diese rosigen Aussichten widerlegt. Statt der Schaffung von Arbeitsplätzen, sind unzählige den Rationalisierungsmaßnahmen zum Opfer gefallen.
Das wohl umstrittenste Element von TTIP sind die geplanten Maßnahmen zum Investitionsschutz. Um die Investitionen von Großkonzernen weltweit zu schützen und diese für vergangene und zukünftig entgangene Gewinne zu entschädigen sollen außergerichtliche internationale Schiedsstellen eingerichtet werden, in denen Großkonzerne einzelne Staaten verklagen können. Diese Gerichte sind mit internationalen Juristen besetzt und tagen im Geheimen ohne die Möglichkeit einer unabhängigen gerichtlichen Überprüfung. Eine zweite Instanz gibt es nicht. Damit wird das ganze Rechtssystem der europäischen Staaten ausgehebelt. Das ist, so Kobel, eine unglaubliche Gefahr für die Demokratie europäischer Staaten. Beispiele, in welche Richtung das Ganze führen könnte, gibt es bereits durch bilaterale Schutzabkommen: Der Tabakkonzern Philip Morris hat Australien wegen der unvorteilhaften Gestaltung der Zigarettenpackungen verklagt. Ägypten droht eine Klage, weil es eine Erhöhung des monatlichen Mindestlohns von 48 € auf 71 € plant. Der deutsche Staat wird von den Energiekonzernen Eon, RWE und Vattenfall auf mehrere Milliarden Euro verklagt wegen des Strategiewechsels in der Atompolitik.
Die regulatorische Kooperation im Zusammenhang mit diesen Abkommen sieht vor, dass alle Staaten verpflichtet sind, neu geplante Gesetze mit den USA abzustimmen –faktisch läuft das auf eine Entmachtung demokratisch gewählter Parlamente hinaus
Die Gewinner werden die großen Exportunternehmen sein; sie versprechen sich von der Abschaffung der Handelshemmnisse zahlreiche Vorteile: z.B. die Lockerung von Umweltvorschriften, damit z.B. die Einfuhr von genmanipuliertem Saatgut und Futtermitteln erleichtert wird, oder durch die Aufweichung von Verbraucherschutzmaßnahmen, damit die „Chlorhühnchen“ auch hier erhältlich sind. Auch in der die Kultur- und Bildungspolitik könnte man durch die Abschaffung der staatlichen ((Co-) Finanzierung bei Schulen, Museen oder Schwimmbädern und deren totaler Privatisierung endlich auch richtig Kasse machen. Ebenso könnten die seit über einem Jahrhundert geltenden Sozialversicherungsstandards - Renten- Arbeits- Sozialversicherung - im Sinne multinationaler Konzerne aufgeweicht oder beseitigt werden, um eine Gewinnmaximierung zu erzielen. Wie ein Besucher in der anschließenden Diskussion treffend bemerkte: die Globalisierung bekommt eine Verfassung.
Spätestens hier schrillen die Alarmglocken und es drängt sich die Frage auf, was das mit Freihandel zu tun hat. Was wird da auf uns zukommen? Ist dieser Prozess noch zu stoppen? Anton Kobel meint ja, es habe sich gerade in den letzten Monaten einiges bewegt. Wenn Deutschland als stärkstes Land der EU nicht mitmacht, kommt das Abkommen nicht zustande. Außerdem muss der Bundesrat zustimmen, und da ist eine Mehrheit zugunsten des Abkommen unwahrscheinlich. Anton Kobel empfiehlt, den Hebel bei den Abgeordneten der SPD und der Grünen anzusetzen. Vor allem die SPD ist in dieser Sache innerlich gespalten, diejenigen, die Wirtschaftsminister Gabriel unterstützen und auf der anderen Seite eher gewerkschaftsnahe Mitglieder, die das Ganze mit zunehmender Skepsis verfolgen. Die Gewerkschaften wachen allmählich auf, nachdem sie erkannt haben, dass diese Abkommen Auswirkungen auf zahlreiche Lebensbereiche haben werden. Wir müssen uns kümmern, sagt er, wenn wir nicht wollen, dass unsere Lebensgrundlage nachhaltig verändert wird.
Ohnehin würden die TTIP Verhandlungen dieses Jahr nicht mehr abgeschlossen – in den USA sind 2016 Wahlen und da möchte man sich ein solch brenzliges Thema vom Halse halten. Und in Deutschland wird 2017 gewählt.
Eine lebhafte Diskussion zeigte in einem zweiten Teil der Veranstaltung, dass auch Rohrbacher*innen tief beunruhigt sind.
P.S.:
Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Leute, es gibt noch Chancen, diesem Unsinn Einhalt zu gebieten. Wir können es gemeinsam schaffen – YES WE CAN!
Bitte unterzeichnet die Unterschriftenliste von Mehr Demokratie e.V. , die u.a. in der Eichendorffbuchhandlung ausliegt, oder online über www.stop-ttip.org
Weiterführende Informationen sind auf folgenden Websites zu finden: