"Hit the Road (Jack)!"

"Meine letzte Fernbusfahrt war der Horror. Der Bus kam eine halbe Stunde zu spät und dann war die Toilette auch noch schmutzig. Zu allem Überfluss hielten wir dann auch noch an einer Raststätte an, bei der man nur bei McDonalds essen konnte.

Außerdem stieg der gesetzlich vorgeschriebene zweite Fahrer erst bei der dritten Station zu und musste dann auf einem der normalen Sitze hinten im Bus sitzen, da kein Zweitsitz existierte! Meine Jack Wolfskin Tasche und die große Essenstüte passten nicht gemeinsam in die Gepäckablage. Kurz standen wir dann auch noch im Stau und mussten ein Stück unebene Fahrbahn passieren. Es war grauenvoll, da war ich mir mit den anderen Passagieren einig!"

-Sie hörten die allgemeine Meinung eines Deutschen über eine Fernbusfahrt in Deutschland.

 

Wer Fernbusfahren in Deutschland als schrecklich empfindet, ist noch nie Bus in Süd-Ost Asien gefahren. So breit gefächert wie die Kultur dieses Kontinents, ist auch die Erlebnisvielfalt der Bustouren dort. In jedem Land ist das Busfahren anders geregelt, doch eines haben sie alle gemeinsam: Es ist jedes Mal ein unvergessliches Chaos.

 

In Thailand ergreift man vor dem Einsteigen erstmal Präventionsmaßnahmen: Alle Wertsachen kommen ins Handgepäck, da die Koffer im Businneren gerne mal von den Mitarbeitern auf Interessantes durchsucht werden.

Man steigt ein, und ist froh, wenn man seinen Sitz erreicht ohne vorher schockgefrostet zu werden. Zwar hatte man eigentlich mal einen Plan wann der Bus losfahren sollte, doch nachdem dieser zwei Stunden am Straßenrand steht verwirft man ihn schnell wieder. Natürlich wird der Motor niemals abgestellt, denn Benzin kostet ja nichts.

Man ist beinahe überrascht, als sich der Bus mit einem leichten Ruckeln dann doch in Bewegung setzt... um dann, nach 20m, mitten auf der Fahrbahn wieder stehen zu bleiben. Nach einer weiteren Stunde des Wartens fährt der Bus dann endlich erneut los und startet seinen Kampf durch die Automassen. Sobald es mal frei ist, gibt der Busfahrer entsprechend Gas. Die Größe des Fahrzeuges spielt hierbei keine Rolle.

Man ist froh, endlich der Großstadt entkommen zu sein, eine weitgehend freie Straße vor sich zu haben, doch zu früh gefreut. Bei erster Gelegenheit wird angehalten, um am Straßenrand ein paar heilige Kettchen zu kaufen, um diese vorne ins Fahrzeug zu hängen. Dann startet die Fahrt erneut.

Aus Langeweile beginnt man den Straßenverkehr zu beobachten. Der Bus schwankt immer wieder von der Rechten auf die linke Fahrbahn, er versucht einen besonders dreisten LKW zu überholen. Ein ganz normales Überholmanöver.

Doch halt, in Thailand herrscht ja Linksverkehr! Das wird dem Busfahrer auch unsanft klar, als sich auf der linken Spur ein langsamerer Pkw befindet und er sich unter Hupen wieder wenige Zentimeter hinter den LKW quetschen muss.

Nebenbei gesagt gibt es natürlich auch nur einen Fahrer, welcher wenn nötig auch mal die ganze Nacht durchfährt.

Was ist ein Fahrerwechsel? Kann man das essen?

 

Was man in Thailand als einen Durchschnittsbus bezeichnet, ist in Kambodscha ein Super-VIP-Bus - preislich natürlich über unserem Budget. Wir finden uns also in einem Standard- Lokalbus wieder, bei dem die gesamte Fahrt über der Karaoke-Fernseher lauft.

Leider (oder zum Glück?) singt niemand mit.

Haltestellen gibt es in Kambodscha keine, aber der Fahrer scheint eine genaue Ahnung zu haben, wo er die Hälfte seiner Passagiere, die nicht schon zu Anfang eingestiegen sind, aufsammeln muss.

Alles geht gut, bis der Bus beim nächsten Stop plötzlich voll ist. Doch auch dafür hat man eine Lösung, kurzerhand werden ein paar Plastikstühle hinten in den Gang gestellt. Wie man sich auf diesen halten soll, ist eine andere Frage. Man sieht sich weniger im Bus, als in einer Waschmaschine im Schleuderprogramm sitzen, wo der Staub der Straße auch gerne mal durch den Boden ins Innere eindringt.

Da ja nicht einmal der Busfahrer weiß, wann der Bus ankommen sollte, hat er auch die Freiheit, allerlei Stops für Einkäufe zu tätigen. Noch vor der Abfahrt des Busses ist es existentiell wichtig, sich ein paar Goldkettchen bei Buchladenständen zu kaufen. Dann werden unterwegs Lebensmittel, Bier und Wegzehrung mitgenommen, außerdem verweilt man eine halbe Stunde an einem Handystand, um nach ausführlicher Beratung drei der Geräte zu kaufen.

Dass auch noch zusätzlich Klo- und Essenspausen getätigt werden müssen, ist Ehrensache. Nebenbei bemerkt ist im Bus natürlich auch keine Toilette vorhanden.

Eine der Einheimischen scheint Mitleid mit uns zu haben, und spendiert uns an einem der Essensstände eine grüne Mango mit Chilisalz.

 

Wenn man dachte, Busfahren in Kambodscha wäre schon eine Steigerung zu Thailand, dann ist Laos nochmals eine Überraschung.

VIP-Busse sind hier nicht von normalen Bussen zu unterscheiden, und wahrscheinlich wäre kein einziger unter deutschen Qualitätsstandards zum Fahren zugelassen.

Bei den Sitzen zählt ganz oder gar nicht: Entweder liegend oder aufrecht, aber in jedem Fall schwer verstellbar. Darüber, dass keine Klimaanlage existiert und Ventilatoren an der Decke hängen, sind wir fast dankbar. Natürlich startet der Bus wie immer zu spät, wir wären fast traurig, wenn es anders wäre. Auch die Stops, um weitere Passagiere aufzusammeln, gestalten sich etwas länger, da die Menschen hier gerne mit großem Gepäck reisen. Während ein deutscher Busfahrer wahrscheinlich in Ohnmacht gefallen wäre, wenn einer seiner Passagiere mit einem großen Kühlschrank reisen wollte, klettert der laotische Busfahrer gut vorbereitet aufs Dach um den Kühlschrank mit Seilen nach oben zu ziehen. Oben angekommen, wird er aufrecht hingestellt und befestigt. Die anderen Fahrgäste schenken diesem Treiben kaum Beachtung und als kurz darauf auch ein Motorrad dem Kühlschrank auf Dach folgt, sind ihre Blicke meist auf den wie immer laufenden Karaoke-Fernseher gerichtet.

Als sich der Bus mit großem Ruckeln in Bewegung setzt, macht man sich schon mal kurz ein paar Gedanken über die Stabilität der Decke bei diesen Lasten, doch alles geht gut.

Zwischenstops sind hier deutlich bequemer als in Kambodscha, das Essen kommt zum Kunden und nicht umgekehrt. Bei einer 45min Pause strömen Gruppen von laut schwatzenden Frauen in den Bus, alle bewaffnet mit mindestens zehn gebratenen Hähnchenspießen, sticky Rice, Eiern, grünen Mangos und Getränken. In einer ruhigen Minute, als ein Schwung der Frauen grade den Bus verlassen hat, kniet sich eine Frau im Gang neben uns auf den Boden und opfert ihr soeben gekauftes Essen den Mönchen auf den hinteren Sitzbänken. Diese nehmen es dankbar an und sprechen einen Segen für die Frau.

 

Als einzige Europäer in dem Bus können wir dem Treiben mal wieder nur mit einer Mischung aus Faszination und Unglauben zusehen.

Unter den kritischen Blicken der Einheimischen, die 12 Stunden Busfahrten für 250 Kilometer als normal erachten, sind wir beide oft die einzigen, die sich vor Staunen und Lachen kaum einkriegen. Wie wünschen uns, die deutschen Fernbusfahrten würden auch einmal so spannend ablaufen, denn wir lieben dieses funktionierende Chaos und die immer neuen Überraschungen.

 

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